Gemeinsam unabhängiger von Peking: Malaysia und Singapur planen neue Sonderwirtschaftszone
Eine gemeinsame Sonderwirtschaftszone soll Malaysia und Singapur unabhängiger von China machen. Die beiden Staaten sind zwei ungleiche Partner.
![Die Premierminister Lawrence Wong und Anwar Ibrahim vor der Presse. Die Premierminister Lawrence Wong und Anwar Ibrahim vor der Presse.](https://taz.de/picture/7459566/14/37365829-1.jpeg)
Johor am südlichen Ende der malaiischen Halbinsel und die Insel Singapur sind nur durch die einen Kilometer breite Meerenge getrennt. Über einen Damm fahren täglich in beiden Richtungen Zehntausende Menschen, die Malaysier zum Arbeiten in Singapur, Singapurer zum Shoppen ins billigere Malaysia. Die Inselrepublik Singapur als Finanzzentrum Südostasiens hat vieles im Überfluss, aber eines nicht: Platz. Mit einer Fläche von 718 Quadratkilometern ist der Stadtstadt kleiner als Hamburg.
Mit der JS-SEZ wollen sich die beiden Volkswirtschaften stärken, etwa indem sie sich als angesichts der verschärfenden Spannungen zwischen China und den USA sich als alternativer Standort für Investoren ins Spiel bringen wollen. Gleichzeitig sind die beiden Länder, die einen hohen chinesischstämmigen Bevölkerungsanteil aufweisen mit ihrem Streben, sich ein Stück weit von China zu emanzipieren in der Region Spätkommer. Internationale Investoren setzen schon seit längerem auf Vietnam und Indien als Alternativstandorte zu China.
Schon jetzt haben sich Firmen aus Singapur im malaysischen Johor angesiedelt. Ein Beispiel ist das Unternehmen Archisen, das Lösungen für den Anbau frischer landwirtschaftlicher Produkte in Städten konzipiert, baut und betreibt. Zusammen mit den malaysischen Partner FarmByte baut die Firma in Johor eine der größten Indoor-Urban-Farmen für Salat und Gemüse auf, während der Firmensitz samt den Bereichen Forschung und Innovation in Singapur bleiben.
Länder sind sehr unterschiedlich
Ob und wann die Sonderwirtschaftszone Realität wird, ist noch ungewiss. Die beiden Länder sind trotz vieler kultureller und historischer Gemeinsamkeiten sehr unterschiedlich. Singapur ist politisch stabil; Malaysia nicht. In Malaysia genießt die ethnisch-religiöse Bevölkerungsmehrheit der islamischen Malaien wirtschaftliche Privilegien, während islamisch-nationalistische Parteien und ihre Medien immer wieder rassistische Hetze gegen die chinesischstämmige Bevölkerung betreiben.
Anders als in Singapur ist Religion in Malaysia ein zentraler politischer Faktor. Seit der Wahl 2022 ist die islamistische PAS die größte Oppositionspartei. Als Folge verzeichnet Malaysia seit Jahrzehnten einen im globalen Vergleich überdurchschnittliche hohe Zahl von gut ausgebildeten Bürgern, die das Land in Richtung USA, EU und Singapur verlassen.
Unter Premierminister Anwar hat sich Malaysia auf dem Korruptionsindex von Transparency International um drei Plätze auf Rang 50 verbessert; Singapur ist seit Jahren als einziges Land Asiens unter den zehn am wenigsten korrupten Ländern der Welt. Während in Singapur Wirtschaftsprojekte zügig und effizient umgesetzt werden, stehen Großprojekte in Malaysia unter keinem guten Stern. Ex-Premier Najib Razak sitzt derzeit im Gefängnis, weil Milliarden Dollar aus dem von ihm initiierten staatliche Investitionsfonds 1MDB in dunklen Kanälen verschwanden. Die jahrelangen Verhandlungen über den Bau einer Schnellzugstrecke zwischen Singapur und Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur sind durch die politischen Turbulenzen in Malaysia zum Stillstand gekommen.
Kein gutes Omen für die SEZ ist auch das gescheiterte Megaprojekt Forest City in Johor des größten chinesischen Immobilienentwicklers Country Garden als moderne, grüne und preiswerte Alternative zum hochpreisigen Singapur. Die zahlreichen Hochhäuser aus Beton und Glas stehen leer und das Unternehmen verhandelt derzeit mit seinen Gläubigern über die Restrukturierung seiner Auslandsschulden in Höhe von 10,3 Milliarden Dollar.
Singapur hofft auf mehr Investitionen
Singapurs Premierminister Wong verspricht sich mit der SJ-SEZ einen Wettbewerbsvorteil um „mehr Investitionen in unser Gebiet zu ziehen“. Malaysias Wirtschaftsminister Rafizi Ramli betonte im Wirtschaftsmagazin Fortune: „Kleinere Länder müssen ihre Bemühungen um Offenheit und Neutralität verdoppeln, um in einer multipolaren Zukunft zu überleben.“ Als Nebenwirkung soll die SJ-SEZ auch Forest City neuen Schwung geben.
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