piwik no script img

Gemeinsam unabhängiger von PekingMalaysia und Singapur planen neue Sonderwirtschaftszone

Eine gemeinsame Sonderwirtschaftszone soll Malaysia und Singapur unabhängiger von China machen. Die beiden Staaten sind zwei ungleiche Partner.

Singapurs Premier Lawrence Wong (links) und sein malaysischer Kollege Anwar Ibrahim wollen in dieselbe Richtung: weg von China Foto: Vincent Thian/ap

Berlin taz | Singapur und Malaysia haben die Gründung einer Sonderwirtschaftszone vereinbart. Die bringe selbstverständlich beiden Seiten nur Vorteile, wie Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim und sein Amtskollege Lawrence Wong freudig vergangene Woche in Singapur verkündeten. Beide haben, was dem anderen fehlt: Singapur will Investoren, Finanzierung und Expertise einbringen. Malaysia will in Johor, einem der neun Sultanate des Landes, für die „Sonderwirtschaftszone Johor-Singapur“ (JS-SEZ) 3.500 Quadratkilometer Land und günstige Arbeitskräfte zur Verfügung stellen. Zudem lockt Malaysia mit niedrigen Steuern für Unternehmen und Fachkräfte.

Johor am südlichen Ende der malaiischen Halbinsel und die Insel Singapur sind nur durch die einen Kilometer breite Meerenge getrennt. Über einen Damm fahren täglich in beiden Richtungen Zehntausende Menschen, die Malaysier zum Arbeiten in Singapur, Singapurer zum Shoppen ins billigere Malaysia. Die Inselrepublik Singapur als Finanzzentrum Südostasiens hat vieles im Überfluss, aber eines nicht: Platz. Mit einer Fläche von 718 Quadratkilometern ist der Stadtstadt kleiner als Hamburg.

Mit der JS-SEZ wollen sich die beiden Volkswirtschaften stärken, etwa indem sie sich als angesichts der verschärfenden Spannungen zwischen China und den USA sich als alternativer Standort für Investoren ins Spiel bringen wollen. Gleichzeitig sind die beiden Länder, die einen hohen chinesischstämmigen Bevölkerungsanteil aufweisen mit ihrem Streben, sich ein Stück weit von China zu emanzipieren in der Region Spätkommer. Internationale Investoren setzen schon seit längerem auf Vietnam und Indien als Alternativstandorte zu China.

Schon jetzt haben sich Firmen aus Singapur im malaysischen Johor angesiedelt. Ein Beispiel ist das Unternehmen Archisen, das Lösungen für den Anbau frischer landwirtschaftlicher Produkte in Städten konzipiert, baut und betreibt. Zusammen mit den malaysischen Partner FarmByte baut die Firma in Johor eine der größten Indoor-Urban-Farmen für Salat und Gemüse auf, während der Firmensitz samt den Bereichen Forschung und Innovation in Singapur bleiben.

Länder sind sehr unterschiedlich

Ob und wann die Sonderwirtschaftszone Realität wird, ist noch ungewiss. Die beiden Länder sind trotz vieler kultureller und historischer Gemeinsamkeiten sehr unterschiedlich. Singapur ist politisch stabil; Malaysia nicht. In Malaysia genießt die ethnisch-religiöse Bevölkerungsmehrheit der islamischen Malaien wirtschaftliche Privilegien, während islamisch-nationalistische Parteien und ihre Medien immer wieder rassistische Hetze gegen die chinesischstämmige Bevölkerung betreiben.

Anders als in Singapur ist Religion in Malaysia ein zentraler politischer Faktor. Seit der Wahl 2022 ist die islamistische PAS die größte Oppositionspartei. Als Folge verzeichnet Malaysia seit Jahrzehnten einen im globalen Vergleich überdurchschnittliche hohe Zahl von gut ausgebildeten Bürgern, die das Land in Richtung USA, EU und Singapur verlassen.

Unter Premierminister Anwar hat sich Malaysia auf dem Korruptionsindex von Transparency International um drei Plätze auf Rang 50 verbessert; Singapur ist seit Jahren als einziges Land Asiens unter den zehn am wenigsten korrupten Ländern der Welt. Während in Singapur Wirtschaftsprojekte zügig und effizient umgesetzt werden, stehen Großprojekte in Malaysia unter keinem guten Stern. Ex-Premier Najib Razak sitzt derzeit im Gefängnis, weil Milliarden Dollar aus dem von ihm initiierten staatliche Investitionsfonds 1MDB in dunklen Kanälen verschwanden. Die jahrelangen Verhandlungen über den Bau einer Schnellzugstrecke zwischen Singapur und Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur sind durch die politischen Turbulenzen in Malaysia zum Stillstand gekommen.

Kein gutes Omen für die SEZ ist auch das gescheiterte Megaprojekt Forest City in Johor des größten chinesischen Immobilienentwicklers Country Garden als moderne, grüne und preiswerte Alternative zum hochpreisigen Singapur. Die zahlreichen Hochhäuser aus Beton und Glas stehen leer und das Unternehmen verhandelt derzeit mit seinen Gläubigern über die Restrukturierung seiner Auslandsschulden in Höhe von 10,3 Milliarden Dollar.

Singapur hofft auf mehr Investitionen

Singapurs Premierminister Wong verspricht sich mit der SJ-SEZ einen Wettbewerbsvorteil um „mehr Investitionen in unser Gebiet zu ziehen“. Malaysias Wirtschaftsminister Rafizi Ramli betonte im Wirtschaftsmagazin Fortune: „Kleinere Länder müssen ihre Bemühungen um Offenheit und Neutralität verdoppeln, um in einer multipolaren Zukunft zu überleben.“ Als Nebenwirkung soll die SJ-SEZ auch Forest City neuen Schwung geben.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Erschließung mit der Bahn ist ökologisch nachhaltiger und stabiler als mit hyperteuren Straßen oder gar Fliegern, nebenbei.

    Ansonsten muss die Furcht (oder die Gier) schon groß sein, denn Singapur koppelte sich 1965 ja ausdrücklich vom malaysischen Umfeld ab.



    Von Singapur muss man nicht unbedingt jeden autoritären Move abkupfern, aber die Neutralisierung von Herkunft und Religion gelang dort halbwegs, was keine Selbstverständlichkeit ist.