Gemeinderäte und Kreistage im Norden: SPD in schwerer See
Bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein verlieren die Großen, die SPD bekommt eine Klatsche in Flensburg und Jamaika nutzt nur den Grünen.
Lokalwahlen, darauf weisen vor allem die Verlierer hin, hängen von örtlichen Begebenheiten ab. So etwa in der Kleinstadt Tornesch, wo die SPD von 52,6 Prozent 2013 auf 26,6 Prozent abstürzte, und im benachbarten Glücksstadt, wo sie ihr Ergebnis auf 16 Prozent halbierte, weil ein früherer Bürgermeister als Einzelbewerber über 20 Prozent abräumte – die dramatischsten Verluste im Land. Doch bereinigt von solchen Sondersituationen bleibt eine Tendenz, die sich von Flensburg bis Quickborn, von Kiel bis Heide bestätigt: Die SPD gewinnt zurzeit keinen Blumentopf, 6,5 Prozent weniger Stimmen erhielten die GenossInnen im Vergleich zur Wahl 2013.
Grüne Abspaltung in Lübecks Bürgerschaft
In Flensburg, wo die Nahles-Gegenkandidatin und potenzielle Stegner-Konkurrentin Simone Lange regiert, rutschte die SPD hinter CDU und Grüne sogar auf Platz drei ab. Einzig in ihren traditionellen Hochburgen Kiel und Lübeck konnte die Partei ihre Großstadt-Stärke bestätigen. In der Landeshauptstadt rutschte die SPD erstmals in ihrer Geschichte unter die 30-Prozent-Marke, blieb mit 29,9 Prozent (minus 5,8%) aber stärkste Kraft vor der CDU mit 23,5 Prozent (minus 6,2%) und den Grünen mit 20,5 Prozent (plus 2,9%). Die Linke erzielte hier mit 7,2 Prozent ihr bestes Ergebnis.
Auch in Lübeck, der zweitgrößten Stadt Schleswig-Holsteins, verteidigte die SPD ihre führende Position mit 27,6 Prozent (minus 6,2%) vor der CDU mit 24,7 Prozent (minus 7,3%). Die Grünen landen mit 15,4 Prozent (minus 1,1%) auf dem dritten Platz. Ihre leichten Verluste erklären sich durch die linksgrüne Abspaltung GAL, die erstmals kandidierte und mit 2,8 Prozent einen Sitz in der Bürgerschaft ergatterte.
Ein Minus wird zum Plus
In Neumünster, der vierten kreisfreien Stadt im Flächenland, siegte die CDU mit mehr als sieben Prozent Vorsprung. Auf dem rechten Flügel hatte die AfD in dieser Stadt der NPD und der LKR, der Neugründung des ehemaligen AfD-Gründers Bernd Lucke, das Feld überlassen, die 3,9 (NPD) und 2,0 (LKR) Prozent erzielten. Gerade im Speckgürtel rund um Hamburg scheinen rechte Parolen Gehör zu finden: In Kaltenkirchen wählten elf Prozent die AfD, in Geesthacht – mit 31 Prozent eine SPD-Hochburg – stimmten neun Prozent für die Rechtspopulisten.
Die Antwort am Tag nach der Wahl von beiden großen Parteien: Alles gut, weitermachen. „Der Aufwind für die CDU hält an“, sagte Ministerpräsident und CDU-Landesparteichef Daniel Günther, ohne zu erklären, wie er aus einem Minus von knapp vier Prozent einen „Aufwind“ herauslesen kann.
Stockende Stegner-Dämmerung
Ralf Stegner nannte das landesweite Abschneiden zwar „enttäuschend“, fand aber neben Schatten auch Licht und freute sich über „viele sehr gute Ergebnisse“. Persönliche Konsequenzen will er weiterhin nicht ziehen, sondern den innerparteilichen Reformprozess im Land „mit aller Kraft“ vorantreiben. Er wolle nicht vor Jahresende bekanntgeben, ob er im April 2019 wieder als Parteichef kandidieren will.
Vor der Wahl hatte es Spekulationen gegeben, ob ein schlechtes Ergebnis dem Landesvorsitzenden schaden könne. „Momentan geht es nicht um mich oder um sonst wen, sondern es geht um die SPD“, sagte Stegner. Da seine potenzielle Rivalin Simone Lange in Flensburg indes selbst Wunden lecken muss, ist ein Aufbegehren zurzeit nicht zu erwarten: Die Revolte wird vertagt.
Grüne glücklich
Freude herrscht dagegen bei den Grünen: „Ein starkes Ergebnis, wir sind sehr zufrieden mit dem Trend“, sagte Grünen-Landeschefin Ann-Kathrin Tranziska. Ihre Partei wurde mit 16,5 Prozent drittstärkste Kraft im Land. Bezeichnend ist das Beispiel des Ostseebades Scharbeutz, wo die Grünen jahrelang vor sich hin dümpelten. Zu Jahresbeginn traten sieben Neumitglieder in den kleinen Ortsverband ein und machten mächtig Betrieb. Der Erfolg: Statt des üblichen einen Mandats haben sie künftig vier Sitze im Gemeinderat.
Zugelegt haben in bescheidenerem Umfang FDP und Linke, zu den Verlierern zählt indes der SSW: Statt knapp drei gab es nur noch 2,3 Prozent für die Partei der Dänen und Friesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste