Geldpolitik in Europa: Euro fällt nach Draghi-Interview
Der EZB-Chef deutet an, dass die Notenbank 2015 Staatsanleihen kauft – prompt sinkt der Euro. Italienischer Präsident will Draghi nicht werden.
BERLIN taz | Der Euro fiel am Freitag auf den tiefsten Stand seit Juni 2010 – und kostete nur noch 1,20 Dollar. Denn der EZB-Chef Mario Draghi hatte in einem Interview mit dem Handelsblatt durchblicken lassen, dass die Europäische Zentralbank im neuen Jahr Staatsanleihen aufkauft. Das Ziel dieser Maßnahme: Damit soll rund eine Billion Euro in die Banken gepumpt werdeen.
Etwas verklausuliert sagte der Notenbankchef: „Wir sind in technischen Vorbereitungen, um den Umfang, das Tempo und die Zusammensetzung unserer Maßnahmen Anfang 2015 zu verändern, sollte dies notwendig werden, um auf eine lange Periode niedriger Inflation zu reagieren.“
Seit sechs Monaten liegt die Inflation in der Eurozone im Durchschnitt nur noch bei 0,3 Prozent. Draghi warnte vor den Gefahren: „Wenn die Inflation lange zu niedrig bleibt, kann es geschehen, dass die Leute auf weiter sinkende Preise setzen und ihre Ausgaben einfach verschieben. So weit sind wir nicht. Aber wir müssen gegen dieses Risiko angehen.“
Der EZB gehen jedoch langsam die Instrumente aus, um gegen die drohende Deflation zu kämpfen und die Wirtschaft anzukurbeln. Denn der Leitzins lässt sich nicht weiter senken, den die Banken zahlen müssen, wenn sie sich Geld bei der Zentralbank leihen: Er liegt nur noch bei 0,05 Prozent.
Staatsanleihen-Aufkäufe sind letztes Mittel
Bleibt als letztes Mittel, Staatsanleihen aufzukaufen – wogegen sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann mehrfach ausgesprochen hat. Diese Meinungsverschiedenheit spielt Draghi herunter: „Wir haben keine unterschiedlichen Ansichten über unser Mandat.“ Der Kauf von Staatsanleihen sei „eins der Werkzeuge in unserem Werkzeugkasten, die wir in Erfüllung unseres Mandats nutzen können“.
Draghis Äußerungen sind nicht wirklich überraschend. Im vergangenen September kündigte er erstmals an, dass die EZB erwägt, Staatsanleihen und auch andere Wertpapiere wie Verbriefungen oder Pfandbriefe aufzukaufen. Seither sinkt der Euro, der damals bei 1,31 Dollar stand.
Die Schwäche des Euros ist gewollt, denn indirekt lässt sich damit die Deflation bekämpfen. Wenn der Eurokurs sinkt, werden ausländische Waren teurer – es kommt zu einer importierten Inflation. Gleichzeitig beleben sich die eigenen Exporte.
Doch Draghi äußerte sich im Handelsblatt nicht nur zu seiner Geldpolitik. Nebenbei ließ er wissen, dass er nicht für das Amt des italienischen Präsidenten kandidieren wird. Der derzeitige Präsident Giorgio Napolitano hatte am Mittwoch angekündigt, dass er zurücktreten will. Draghi schloss eine Nachfolge aus: „Mein Mandat als EZB-Präsident dauert bis zum Jahr 2019.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos