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Geld für Klima-AktivistInnenRebellen-Streit über Großspenden

Eine hohe Spendensumme aus den USA an Extinction Rebellion stößt in Deutschland auf Vorbehalte. Ein Kompromiss soll Frieden schaffen.

Bald aus den USA finanziert? Blockade von Extinction Rebellion im April in Berlin Foto: dpa

Im deutschen Ableger der Graswurzel-Bewegung Extinction Rebellion gibt es Streit ums Geld. Aber nicht etwa, weil es zu knapp wäre – sondern weil es plötzlich reichlich verfügbar ist. Denn drei vermögende PhilantropInnen aus den USA – Investor Trevor Neilson, Dokumentarfilmerin Rory Kennedy und Stiftungsmanagerin Sarah Ezzy – haben einen sogenannten Climate Emergency Fund gegründet, also einen Klimanotstandsfonds.

Mit zunächst 500.000 Dollar sollen Extinction Rebellion und andere junge Bewegungen unterstützt werden, die sich gegen den Klimawandel engagieren; insgesamt stehen noch deutlich höhere Summen im Raum. Die schlimmsten Folgen der Klimakrise ließen sich nur durch eine „friedliche, weltweite Mobilisierung“ verhindern, schreiben die Initiatoren zur Begründung. Im Beirat des Fonds sitzt unter anderem der renommierte US-Klimaschützer und Autor Bill McKibben.

Extinction Rebellion (etwa: Rebellion gegen das Aussterben) ist im vergangenen Jahr in Großbritannien entstanden. Für Aufsehen gesorgt hat die Initiative vor allem im April mit einer mehrtägigen Massenblockade diverser Brücken in London, bei der mehrere hundert Menschen festgenommen wurden. In Deutschland, wo etwa 50 Ortsgruppen von Extinction Rebellion aktiv sind, gab es neben vielen Vortragsveranstaltungen bisher diverse kleinere Protestaktionen wie Straßenblockaden oder Performances.

Bis zu 50.000 Euro pro Gruppe

Für die nächste Protestwelle, die ab dem 7. Oktober geplant ist, können sich nun auch die deutschen Gruppen um das Geld bewerben, das der Climate Emergency Fund der Organisation in Großbritannien zur Verfügung gestellt hat. In einem ersten Schritt können Ortsgruppen 5.000 Euro bekommen; längerfristig und für überregionale Strukturen sollen Summen von 50.000 Euro möglich sein. Das Geld soll den Unterlagen zufolge sowohl für die Organisation von Vortragsveranstaltungen und Aktionen verwendet werden können als auch für den Lebensunterhalt von AktivistInnen, die sich zeitweise komplett der Bewegung widmen.

Doch während die angebotenen Spenden in Großbritannien Medienberichten zufolge gern angenommen wurden, haben sie in Deutschland für heftige Debatten gesorgt. Das geht aus internen Protokollen von Extinction Rebellion hervor, die der taz vorliegen. Zum einen sorgen sich viele AktivistInnen, dass die Spenden den Charakter der Bewegung verändern. Es sei fraglich, „ob eine Grassroot-Bewegung mit stark hauptamtlich geprägten Strukturen überhaupt noch eine Grassroot-Bewegung ist“, lautet ein Kritikpunkt im internen Online-Diskussionsforum von Extinction Rebellion. Zudem berge die Annahme von Großspenden „Gefahren der Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit“. Jemand anderes bezweifelt, dass die Mittel erforderlich seien. „Wenn Geld das wäre, was Bewegungen zu einem schnellen Erfolg verhilft, dann hätte z. B. Greenpeace […] längst die Klimakrise beendet“, heißt es.

Sorge um die Glaubwürdigkeit

Kritische Anmerkungen gibt es auch zur Herkunft des Geldes. Denn eine der Mitgründerinnen des Climate Emergency Funds verwaltet auch die Aileen Getty Stiftung, deren Kapital ursprünglich aus Ölgeschäften stammt. Während einige meinen, man dürfe solche Gelder keinesfalls annehmen, um die Glaubwürdigkeit nicht zu gefährden, sehen andere AktivistInnen darin kein Problem. „Praktisch betrachtet ist es besser, wenn das Getty-Geld an eine XR [Extinction Rebellion] Gruppe geht denn an eine neuen Ölraffinerie“, heißt es in einem Diskussionspapier.

Wir werden keine Einflussnahme der Geldgeber*innen auf die Verwendung der Spendengelder akzeptieren

Tino Pfaff, Extinction Rebellion

Tino Pfaff von der bundesweiten Presse AG von Extinction Rebellion bestätigt der taz den Vorgang. „Es gab einen intensiven bundesweiten Dialog über den Umgang mit den angebotenen Großspenden“, sagt er. Als Ergebnis sei ein Kompromiss gefunden worden, der in Kürze kommuniziert werden soll. „Wir stellen es den Ortsgruppen und einzelnen Arbeitsgruppen von Extinction Rebellion in Deutschland frei, die Gelder anzunehmen oder abzulehnen“, sagte Pfaff. Dass die Bewegung dadurch ihre Unabhängigkeit verliere, fürchte man nicht. „Wir werden keine Einflussnahme der Geldgeber*innen auf die Verwendung der Spendengelder akzeptieren“, erklärte das Mitglied des Presseteams.

Ob für die Bundesebene Geld beantragt werde, sei noch nicht entschieden, sagte Pfaff. Auch wie viele Ortsgruppen das Angebot annehmen, ist noch offen. Eine interne Übersicht von Anfang August listete fünf Gruppen auf, die Interesse hatten: Heidelberg, Leipzig und Erlangen wollten jeweils 5.000 Euro beantragen, in Köln war die Summe noch unklar. Die Berliner Ortsgruppe, die im Oktober ein großes Protestcamp plant, hat 75.000 Euro beantragt.

Ob der Streit mit diesem Kompromiss wirklich befriedet ist, bleibt abzuwarten. Im Vorfeld hatten mehrere AktivistInnen deutlich gemacht, dass es für sie keine Lösung sei, die Entscheidung auf die lokale Ebene zu verlagern. „Ich befürchte besagten Imageschaden bereits, wenn nur einzelne Ortsgruppen das Geld annehmen“, hieß es in einem Beitrag. Andere betonten dagegen, dass die dezentrale und hierarchiefreie Struktur von Extinction Rebellion es gar nicht erlaube, den Ortsgruppen Vorschriften über den Umgang mit Spenden zu machen.

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6 Kommentare

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  • Nehmt das Geld für die Projekte nicht für (dauerhaft bezahlte) Posten dann kann eigentlich nichts schief gehen. Der Climate Emergency Fund ist ja auch ein Protest gegen staatliches Totalversagen und die auch monetäre Dominanz hochdotierter Vertreter der Öl- und Kohleindustrie, der industriellen Agrarindustrie die sehr viel Geld haben und ausgeben um Regierungsentscheidungen zu infiltrieren oder von außen in Gänze zu stärken die ein "weiter so" der fossilen und Agrarindustriellen Großunternehmen gewährleisten. Da sind die zugesagten Gelder im Climate Emergency Fund immer noch niedlich gegen diese weltumspannende Lobby aber sicher eine Hilfe um die Aktiven welche die Zivilgesellschaft gegen die systematische Zerstörung der Lebensgrundlage auf unserem Planeten auch weltweit vernetzen können das Taschengeld dazu zu spenden.

  • Hach, eine wunderbar typisch deutsche Diskussion. Man diskutiert nicht ob das Geld dem Anliegen hilft sondern ausschließlich die Protestform.

    Aber gut, dann eben nix bewegen aber man bleibt eine "Graswurzelbewegung". Schön dogmatisch aber eignetlich wie immer: Wer soviel spenden kann muss reich sein und wer reich ist, ist per se ein böser Kapitalist, also besser Finger weg.



    Wäre vielleicht mal Zeit die ein oder andere Schublade im Kopf zu schließen...

    • @charly_paganini:

      Was Sie nicht verstehen, ist, dass der Zweck eben nicht unbedingt die Mittel heiligt. Das ist genauso wie wenn ich mich als Friedensaktivist*in ausgebe, aber meine Projekte und Aktionen mit Geldern aus Waffengeschäften finanziere....



      Abgesehen davon bleibt die Abhängigkeit vom Geld eben weiterhin als zentrales Problem. Das Argument mit Greenpeace verdeutlicht dies mMn. ganz gut. Zumal: einmal in diesen (monetären) Strukturen eingerichtet, gibt es eben wesentliche Probleme, wenn das nötige Geld prospektiv fehlen sollte. Letztlich wird es wohl auch so sein, dass sich langfristig die Ortsgruppen durchsetzen können, die über entsprechende Ressourcen verfügen, während andere zurückbleiben. Insofern etabliert sich über das Geld ggf. wieder eine Struktur, die sowohl gegen die Dezentralisierung als auch gegen die hierarchiefreie Ordnung spricht, weil sich über die Ressourcenverteilung eben wieder entsprechende Strukturen und Hierarchien bilden (können).

      • @White_Chocobo:

        @white_chocobo Nun antworte ich erst spät ...



        Zwei Gedanken: Der Teufel steckt im Detail: Eine Mitbegründerin des Funds VERWALTET - auch! - die Gelder der Alleen-Getty-Stiftung. (Zitat TAZ, s.o.)



        Sie ist nicht diejenige, die direkt aus der o.g. Stiftung das Geld zu XR rüberschaufelt.



        Andererseits korrekt ist a.m.S. der Gedanke der Abhängigkeit vom Geld und der bezahlten Strukturen. Das zumindest in immer a.m.S. sorgfältig zu beobachten, auch was entstehende Machtstrukturen innerhalb der Gruppe angeht.

  • Probleme treten auf, wenn mit den Geldern teure Strukturen aufgebaut werden, die Fixkosten erzeugen. Dann wäre man quasi abhängig. Solange aber der Fonds keine Bedingungen stellt, außer sich für Klimaschutz einzusetzen und garantiert, dass es auch so bleibt, hat man ganz andere Möglichkeiten zu agieren. Skepsis ist ja wichtig, sollte aber nicht in Paranoia umschlagen, wenn es keine begründeten Anzeichen für Vereinnahmung gibt.

  • Wo bei XR weitestgehend Einigkeit besteht, ist, dass es sicherlich besser für die Unabhängigkeit der Bewegung ist, nicht fremdfinanziert zu sein. Und an dieser Stelle kann jede TAZ-Leserin und jeder TAZ-Leser helfen. "Exrinction Rebellion" hat nämlich eine Spendenseite. Ist die Eigenfinanzierung gesichert, sind Diskussionen über Fremdfinanzierung ganz schnell passé. So eine Rebellion ist nun mal nicht ganz ohne Geld zu machen.

    www.gofundme.com/f...tinction-rebellion

    Dass es solche Diskussionen innerhalb der Bewegung gibt, und nicht gleich nach jedem greifbaren Euro unhinterfragt gegriffen wird, finde ich gut!