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Gehwegparker-Streit wird neu verhandelt„Ausstrahlung für ganz Deutschland“

Ein Gericht hat Bremen verpflichtet, gegen Gehwegparker vorzugehen. Die Stadt geht in Revision, um ein noch weiter reichendes Urteil zu erzwingen.

Alles illegal, aber bisher geduldet: Parkende Autos in der Bremer Neustadt Foto: Eckhardt Stengel/dpa

Bremen taz | Das Bremer Verkehrsressort legt Revision gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts ein: Das Gericht hatte die Behörde nach einer Klage von An­woh­ne­r*in­nen verpflichtet, in Zukunft strenger gegen das Falschparken vorzugehen. Der ADFC zeigt sich von der Revision „irritiert“. Und auch auf Twitter regen sich Fans der Verkehrswende über die sture Stadt auf.

Doch die Pressemitteilung der Senatskanzlei lässt auch einen ganz anderen Schluss zu: In Revision gehe man, weil das Urteil „eine Bedeutung für die gesamte Stadt“ habe, steht dort. „Kommt das Oberverwaltungsgericht zu dem gleichen Ergebnis, hat dies natürlich erst recht Auswirkungen auf Bremen“, wird die grüne Mobilitätssenatorin Maike Schaefer zitiert. „Zudem wäre eine Ausstrahlung für ganz Deutschland gegeben, was für die Verkehrswende, für die Barrierefreiheit und auch für die Rettungssicherheit von hoher Bedeutung ist.“

Verkehrsbehörde muss individuelle Rechte schützen

Geklagt hatten An­woh­ne­r*in­nen aus drei Straßen gegen die Verkehrsbehörde, weil vor ihrer Haustür das ganze Jahr über beidseitig auf den Gehwegen geparkt werde; das ist verboten. Die Stadt aber, so die Klage, gehe nicht dagegen vor. Vor einer guten Woche hatte das Verwaltungsgericht ein Urteil veröffentlicht, nach dem die Verkehrsbehörde tatsächlich eine Verantwortung für die Zustände hat – und geeignete Maßnahmen gegen das Gehwegparken ergreifen muss.

Das Urteil von Ende Februar betritt juristisches Neuland: Die Straßenverkehrsordnung wird oft so interpretiert, dass sie nur die Interessen der Allgemeinheit schützt – Einzelne haben damit keine Möglichkeit, ihre Einhaltung einzuklagen. Jetzt aber hat das Gericht für die An­woh­ne­r*in­nen ein individuelle Recht festgestellt, den Gehweg vor ihrem Haus zu benutzen.

Schon dass das Gericht die Klage im November zugelassen hatte, war eine Überraschung: Eigentlich ist für die Ordnung des Verkehrs das Ordnungsamt und damit die Innenbehörde zuständig. Denen aber kann man keine Vorschriften dazu machen, welche Ordnungswidrigkeiten sie verfolgen und welche nicht. Dass ersatzweise gegen die Verkehrsbehörde geklagt werden durfte, begründete das Gericht damit, dass die Kläger sonst „rechtsschutzlos“ seien.

Urteil einer höheren Instanz bedeutet mehr

Das Urteil des Verwaltungsgerichts bezieht sich nur auf die drei Straßen, in denen die Klä­ge­r*in­nen wohnen. Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in nächster Instanz wäre faktisch für Städte in ganz Deutschland bindend – für die Verkehrswende ein großer Schritt. Die Klä­ge­r*in­nen ahnten beim Prozess in erster Instanz schon, dass ihre Klage schulbildend sein könnte: „Wenn nötig und möglich, ziehen wir damit bis vors Verfassungsgericht“, hatte Kläger Hubertus Baumeister der taz gesagt. „Das Problem gibt es ja nicht nur in Bremen.“

Mit dem Urteil einer höheren Instanz im Hintergrund könnte sich das grün geführte Ressort auch die Hände binden lassen und sich so Argumente verschaffen, um trotz Gegenwindes zu handeln: Man ist ja schließlich verpflichtet worden.

Denn Gegenwind und den Wunsch, das jetzige Urteil des Verwaltungsgerichts nicht ganz so ernst zu nehmen gibt es: Der Weser Kurier fordert „Augenmaß“ bei der Umsetzung des Urteils, ebenso die Handelskammer. Die Bürgerinitiative „Mobilitätsfrieden für alle Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer“ beschwert sich über „verschwundene Parkplätze“ – und meint damit, dass ordnungswidriges Verhalten in Bewohnerparkgebieten jetzt geahndet wird.

Innenressort will Falschparker gewähren lassen

Befür­wor­te­r*in­nen der Laissez-faire-Parkpolitik sitzen auch in der eigenen Regierung beim Koalitionspartner: Für das SPD-geführte Innenressort, das eigentlich für die Einhaltung der Verkehrsregeln zuständig wäre, geht „das Urteil des Bremer Verwaltungsgerichtes an der Realität vorbei“. Das widerrechtliche Abstellen von privaten Autos im öffentlichen Raum will die Innenbehörde auch in Zukunft nicht mit Knöllchen bestrafen.

Nur dort, wo Falschparken zu „gefährlichen Situationen führen kann“, wolle man handeln, „anstatt sämtliche Autos in Straßen, in denen aufgesetzt geparkt wird, stur abzuzetteln“, schreibt Sprecherin Rose Gerdts-Schiffler auf Anfrage. „Würde man die Entscheidung konsequent weiterdenken, würden wohl rund 50 Prozent der Au­to­be­sit­ze­r:in­nen in Bremen keinen Parkplatz mehr für ihr Fahrzeug finden.“

Die Geg­ne­r*in­nen von Parkkontrollen fordern deshalb Zeit – und den Bau sogenannter Quartiersgaragen. Ob die tatsächlich helfen würden? Die großen Parkhäuser der Brepark bieten allesamt auch Plätze für Dau­er­par­ke­r*in­nen an. Voll belegt sind die aber bei Weitem nicht. Anders als die illegalen Plätze auf den Bürgersteigen kosten sie Geld.

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Im Artikel heißt es: "Doch die Pressemitteilung der Senatskanzlei lässt auch einen ganz anderen Schluss zu: In Revision gehe man, weil das Urteil „eine Bedeutung für die gesamte Stadt“ habe, steht dort."

    Nein, das steht da nicht. Zitat aus der Pressemitteilung des Senats ( www.senatspressest...=bremen02.c.732.de ): "Das Bremer Verkehrsressort geht in Abstimmung mit dem Innenressort gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes wegen aufgesetztem Parkens in Berufung."

    Der Bremer Senat will Berufung einlegen, nicht Revision. Wieso kann die taz nicht einfach den korrekten Begriff verwenden? Einfaches Abschreiben aus der Pressemitteilung hätte genügt.

  • Die Leute im Viertel sollten sich einen Kleinwagen zulegen und ihre Garagen wieder reaktivieren!

    Der Vereinnahmung öffentlicher Flächen als Parkraum hätte bereits vor Jahrzehnten entgegen gewirkt werden müssen. Die Gesetze & Verordnungen waren aus gutem Grund vorhanden und bekannt.



    Was hat also die Politik geritten, diese zu ignorieren?

    • @Rudolf Fissner:

      Das fragt man sich allerdings.

      In Berlin wird z.B. seit Jahrzehnten ganz offiziell das Parken von Motorrädern auf Gehwegen toleriert, obwohl es eigentlich verboten ist.

      Einfach nur, damit am Straßenrand mehr Platz für Autos ist.

  • Schön, dass ich einen eigenen Parklatz habe. :-)

    Aber im Ernst. Die Reaktion der Stadt finde ich angemessen: Leben und leben lassen, wenn es möglich ist.

  • Ansonsten immer einen Winkelschleifer mitführen:

    www.bauhaus.info/w...li-solo/p/24867816

    Wenn's gut werden muss.

  • Den couragierten Klägern kann man nur danken.

    Den Behörden hingegen, und das gilt tatsächlich Bundesweit, muss man aber Mutlosigkeit (und das war jetzt die freundliche Umschreibung) attestieren...und wie aus dem Artikel hervor geht, leider auch ein Versagen, was an Rechtsbeugung grenzt.

    Alle wissen dass in diesem Bereich viel mehr passieren muss. Und keiner traut sich.

    In dieser Hinsicht ist D-Land wirklich ein sehr merkwürdiges Land: im Wohnberrich gilt jede Kleinigkeit als Ruhestörung..aber auf der Strasse da darf man dann ordentlich Krawall machen..mit getunten Auspuffanlagen, zu lauten Soundsystemen und und und.

    Auf deutschen Straßen herrscht nicht nur ein teilweise Rechtsfreier Raum, sondern eine sehr dumpfe Form von Anarchie...

    -> echt peinlich.!!!

  • Super Sache - ich freu mich schon in meinem Ort damit mal Wind zu machen.

    Aber:



    Auch hier wieder: die Fahrer von Dienstwagen werden dann einen Dauerstellplatz im Parkhaus mit Arbeitgeber und/oder Steuer abrechnen und nix extra zahlen.



    Der Schichtarbeiter, der um 04 Urh morgens nicht mit ÖPNV zur Arbeit kommt und deshalb aufs Auto angewiesen ist, der zahlt selber.

    • @Tz-B:

      Natürlich sind die Mobilitätsbedürfnisse und -notwendigkeiten bei jedem Menschen anders. Aber wenn ich regelmäßig nachts ohne ÖPNV Strecken zurücklegen müßte, die mir für's Fahrrad zu weit sind, und es nur um den Tranport meiner Person mit wenig Gepäck ginge, kaufte ich mir — je nach Entfernung — ein Pedelec (bis 25 km/h) oder ein S-Pedelec (bis 45 km/h) oder einen Elektroroller (bis ca. 80 km/h) oder ein Elektromotorrad (je nach Modell bis 120 km/h oder bis 280 km/h). Parkplatznot adé und leise sind die Dinger auch, sodaß sie um 4:00 Uhr morgens die Nachbarn nicht aus dem Schlaf reißen.

    • @Tz-B:

      Die weit überwiegende Mehrheit der vierrädrigen Gehwegokkupanten vor meiner Haustür gehört hier nicht irgendwelchen Nachbarn, die um 4.00 morgens zur Arbei fahren. Wenn hier jemand in unserer Straße mit dem Auto morgens früh um 4.00 auf dem Weg zur Arbeit ist, so etwa ein Lokführer oder andere Leute von auswärts, die ihren Wagen kostenfrei abstellen wollen, um dann zu fuß zum Hauptbahnhof zu gehen. Dort fahren die Nachtbusse der BSAG und die ersten Züge Richtung Hannover, Osnabrück und Vegesack.



      Die Leute würden fast das ganze Jahr über zu jeder Tageszeit reichlich freie Parkplätze auf der näher liegenden Bürgerweide am Ausgang vom Hbf. finden. Sie wollen sich offenbar ein paar Meter Fußweg am frühen Morgen nicht ersparen, sondern die paar Euros Parkgebühr. Lieber wird tagtäglich kostenlos der Bewegungsraum der Anwohner massiv beschränkt.







      Ich finde es besser, genauer hinzugucken als irgendwelche platten Sprüche nachzuplappern.