Gegendemo zum Einheitsfest in Hamburg: Ein Plakat verschwindet
Wie angekündigt darf Deutschland nicht als „ein Stück Scheiße“ bezeichnet werden. Doch der Protest gegen die Einheitsfeier bleibt friedlich.
Die Polizei, die die Gegendemo gegen die Einheitsfeier mit großem Aufgebot begleitet, will vor einer Fortsetzung zunächst das große Transparent mit dem Schriftzug „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ verschwinden sehen. Diesen Satz hatten die Veranstalter ursprünglich zum Demo-Motto erklärt, dann aber auf Einspruch der Behörden ein „Zensiert“ darübergeklebt.
Das „Zensiert“ ist nun abgerissen, der verbotene Satz steht wieder da. Für den am Rand stehenden Passanten Mika ist die Aktion „eine Frechheit“. Die soziale Spaltung vergrößere sich dadurch nur, außerdem gehe es bei dem Feiertag um die Geschichte und nicht das Handeln der aktuellen Regierung.
Die Demo darf erstmal auf ihrer Route ins Schanzenviertel weiterziehen. Der zweite unfreiwillige Stopp erfolgt um 20:45 Uhr. Das Transparent muss nun endgültig eingerollt werden, außerdem wird die unerlaubte Vermummung von Personen in dem an der Spitze laufenden schwarzen Block bemängelt. Die Durchsage der Polizei wird mit Sprechchören à la „Alle Bullen sind Schweine“ beantwortet. Auf einer Werbetafel am Straßenrand steht: „Wir wünschen Hamburg einen schönen Tag der Deutschen Einheit 2023“.
Nach einigen Minuten geht es weiter, vorbei an zahlreichen Schaulustigen. „Ich bin nicht deren Meinung, aber das muss ich auch nicht sein“, sagt Thomas Fleckenstein. „Aber ich freue mich, dass wir das in Deutschland machen können“, sagt er noch, bevor er den Straßenrand verlässt und zurück in ein Lokal geht.
Einzelne Festnahmen und mehrere Strafverfahren
Um 21:30 Uhr erreichen die Demonstrierenden dann den Schlusskundgebungsort am Neuen Pferdemarkt im Stadtteil St. Pauli. „Wer hätte das gedacht?“, höhnen die Sprecher*innen angesichts der Verzögerungen. Nach dem offiziellen Ende der Versammlung kommt es zu einzelnen Festnahmen, laut Polizei laufen mehrere Strafverfahren.
„Das ist schon ganz schön repressiv“, sagt Teilnehmerin Verena, die das Geschehen mit etwas Abstand beobachtet. Die viele Polizei, Pferdestaffel und das hektische Rennen und Geschubse hat bei ihr Angst ausgelöst. Sie findet es schön, dass einige Menschen Solidarität mit den Festgenommenen gezeigt haben und während des Zugriffs niemand allein gelassen wurde. Zusammen mit ihrer Begleitung, Chris, wolle sie sich nun auf die Suche nach einer Mahnwache vor einer Polizeistation machen.
Mit der Demo wollen die Organisator*innen klar machen, dass es ihrer Meinung nach am Tag der Deutschen Einheit nichts zu feiern gibt. Das Land bewege sich seit der „Annexion der DDR in das kapitalistische System der Bundesrepublik“ nach rechts. Die „autoritäre Formierung in Deutschland“ habe den Boden für die „rassistischen Taten des NSU“ und das Aufkommen der AfD bereitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren