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Gegen Verschiebebahnhöfe

■ Das Lesumer Frauenhaus ist hoch verschuldet/ Der Trägerverein will für den Erhalt der Notunterkunft – und gegen Sparvorschläge der Sozialbehörde – kämpfen

„Wir wollen kämpfen.“ Das kündigen die Vorstandsfrauen des Bremen-Norder Vereins „Frauen helfen Frauen“ an. Sie müssen auch kämpfen, denn ihre Zuflucht für geschlagene Frauen befindet sich in einer ernsten Situation: Über 30.000 Mark Mietschulden hat die Notunterkunft in diesem Jahr bereits angehäuft. Jetzt herrscht finanzieller Notstand in der Einrichtung in Lesum. Eine von drei Mitarbeiterinnen hat bereits zu Monatsbeginn den Job verloren. „Die Sozialpädagogin. Die ist am teuersten“, heißt es im Vorstand. Doch das allein werde die Krise nicht beenden.

Der Grund für die Misere ist – da sind sich die Bremer Sozialbehörde und der Trägerverein einig – eine zurückgegangene Nachfrage an Schlaf- und Wohnmöglichkeiten. Sind die acht Zimmer mit insgesamt 40 Betten jedoch nicht mit mindestens 17 Personen belegt, sinken die Einnahmen unter das Ausgabenlevel. Der Grund: Miete und Personalkosten berechnen sich pro Kopf; sie setzen sich aus einem sogenannten Teilpflegesatz von der Sozialbehörde und aus einem Mietzuschuß des Sozialamtes zusammen. Das Dilemma für den Verein: Wenn so wenige Frauen Zuflucht suchen müssen wie dieses Jahr vor allem in den Sommermonaten, dann ist die Existenz des Frauenhauses gefährdet. Dazu komme, daß der Wohnungsmarkt relativ entspannt sei: „Die Frauen bleiben nicht so lange wie früher. Sie finden schneller eine eigene Wohnung.“

Noch werden Lösungen für den Fortbestand der Lesumer Zuflucht debattiert. „Die Sozialbehörde hat vorgeschlagen, daß wir unser Konzept überprüfen sollen“, sagt eine Sprecherin des Vorstands. Gemeint sei, das Abgebot dahingehend zu verändern, daß statt einer kurzfristigen Notunterkunft künftig längerfristige Wohnmöglichkeiten für Frauen mit Kindern angeboten würden.

Der Vorteil „wäre sicher, daß eine solche Einrichtung weniger personalintensiv und damit weniger kostenträchtig wäre“, sagt Gertrud Stoevesandt von der Sozialbehörde. Der Vereinsvorstand aber, darunter auch Frauen, die früher schon selbst im Frauenhaus gewohnt haben, will das nicht.

„Das würde heißen, daß Frauen in Not in Frauenhäuser im Bremer Stadtzentrum ziehen müßten.“ Nicht jede Frau aber sei gleichermaßen gefährdet, wenn sie nahe der alten Nachbarschaft wohnen bliebe – und manche wollten wenigstens den Kindern Schule und Freunde erhalten. Deshalb sei das Frauenhaus im Bremer Norden doch 1992 gegründet worden. Und umgekehrt würden auch Frauen aus der Stadt im Rahmen eines solchen „Verschiebebahnhofs“ nicht nach Bremen-Nord in die Unterkunft ziehen wollen. Das stützt auch Maria Schnackenburg vom AWO-Frauenhaus: „Bremen-Nord braucht ein eigenes Frauenhaus.“

Wie das Geldproblem langfristig gelöst werden kann, ist offen. „Zur Zeit reicht die Belegung, um die Unkosten zu decken“, betonen die Vereinsfrauen. Sie überlegen zugleich, die aufgelaufenen Schuldenberg vielleicht mit Hilfe von Spenden abzutragen. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Maria Spieker, blickt weiter: „Die Frauenhäuser in der Bremer City hatten dasselbe Problem, solange sie keinen Haushaltstitel hatten“, sagt sie. Entsprechendes müsse für das Bremen-Norder Frauenhaus geprüft werden. Sie werde sich auch dafür einsetzen, daß der „Parlamentsausschuß zur Förderung der Gleichstellung der Frau“ sich in der kommenden Woche mit diesemThema befasse.

ede

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