Gegen Antisemitismus bei Islamkonferenz: Faeser fordert Aufschrei
Die Innenministerin will von Islam-Verbänden Klarheit gegen Antisemitismus. Zugleich wurde bei der Islamkonferenz mehr Muslimfeindlichkeit beklagt.
Faeser sprach am Dienstag zum Auftakt einer Fachtagung im Rahmen der Islamkonferenz, zu der Wissenschaftler, Politiker und Vertreter von islamischen Verbänden ins Bundesinnenministerium geladen waren. Ursprünglich sollte sich die Tagung dem Thema „Muslimfeindlichkeit“ widmen, dazu hatte ein von der Bundesregierung eingesetzter Expertenkreis im Sommer einen ausführlichen Bericht vorgelegt. Unter dem Eindruck der aktuellen Ereignisse wurde die Tagung aber kurzerhand um das Thema Antisemitismus erweitert, bis es am Ende das Programm dominierte.
Auf den Podien am Dienstag sprachen Vertreter der Regierung, von Wissenschaft und Sicherheitsbehörden, während Vertreter muslimischer Gemeinden lediglich im Publikum saßen und lauschten. Es hatte eine gewisse Anmutung von Frontalunterricht. Faeser warnte in ihrer Rede davor, den Kampf gegen Antisemitismus zu missbrauchen, um Hass gegen Muslime zu schüren.
„Wer jetzt Stimmung gegen Muslime macht unter dem Vorwand der Bekämpfung von Antisemitismus, der will uns spalten und nicht einen“, betonte sie. Zugleich müsse man anerkennen, „dass wir ein Problem mit Antisemitismus haben, der auch von Muslimen ausgeht“.
Faeser: Es darf keinen Generalverdacht geben
Mit Blick auf die Razzien gegen das Islamische Zentrum in Hamburg und weitere Einrichtungen in der vergangenen Woche betonte die Innenministerin, der Staat und seine Behörden handelten „nicht gegen eine Religion“, sondern „gegen islamistische Extremisten“. Es dürfe keinen Generalverdacht geben.
Ex-Bundespräsident Christian Wulff kritisierte in seinem Grußwort zur Fachtagung den Chef der türkischen Religionsbehörde Ali Erbas in Ankara, der Israel in einer Predigt als einen „rostigen Dolch“ im Herzen der muslimischen Welt bezeichnet hatte – auf dieses Niveau dürfe man nicht fallen, sagte Wulff. Er begrüßte die Stellungnahme der Türkischen Gemeinde, die den Terror der Hamas klar verurteilt habe. Und er warnte vor einem Anstieg an antisemitischen und antimuslimischen Anfeindungen seit dem 7. Oktober. „Ich selbst bekomme seitdem wieder mehr Hassmails“, berichtete er.
„Ein bisschen lehrmeisterlich“ seien die Grußworte gewesen, sagte die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus aus Göttingen anschließend auf einem der Podien. Sie wünsche sich mehr Mitgefühl, und dass Menschen mehr zugehört werde. Von einem „Empathie-Gap“ sprach auch ihr Kollege Mathias Rohe, Jurist und Islamwissenschaftler aus Erlangen – das würden nicht nur viele Muslime, sondern auch viele Jüdinnen und Juden so empfinden.
Eine Mitarbeiterin der Türkischen Gemeinde, die sich aus dem Publikum zu Wort meldete, gab außerdem zu bedenken, dass ihnen die frühe und klare Positionierung nichts genützt habe: Ihr Verband wäre trotzdem zum Ziel antimuslimischer Anfeindungen geworden. „Terror ist Terror und darf nicht gerechtfertigt werden“, sagte Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats, am Rande der Tagung zur taz. Sein Verband habe sich dazu klar geäußert. Man könne aber auch nicht so tun, als habe der Nahost-Konflikt erst am 7. Oktober begonnen. Er habe den Eindruck, das werde nicht so gerne gehört.
Ditib: Moscheegemeinden sensibilisiert
Noch schärfer kommentierte Eyüp Kalyon, der Generalsekretär des Ditib-Bundesverbands, Faesers Forderungen gegenüber der taz: Sein Verband habe Terror und Antisemitismus klar verurteilt – aus eigenem Antrieb, „weil es unseren Glaubensprinzipien entspricht“. Auch zum Existenzrecht Israels habe man sich „unmissverständlich deutlich geäußert“ und die eigenen Moscheegemeinden „diesbezüglich sensibilisiert“. Durch die ständigen Appelle deutscher Politiker würden aber nicht nur die Verbände, sondern alle Muslime „als ‚potentiell antisemitisch‘ markiert und diskriminiert, gar dämonisiert“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom