Geflüchteten-Aufnahme in Kommunen: Belastet, aber nicht überlastet
Eine Untersuchung zeigt, wo und warum die Aufnahme von Ukrainer*innen gut gelang. Behörden, die aus 2015 gelernt haben, hatten weniger Probleme.
BERLIN taz | Wie gut es Kommunen gelingt, die Aufnahme von Geflüchteten zu organisieren, variiert von Ort zu Ort und hat auch damit zu tun, wie aktiv Behörden das Thema angehen. Das geht aus einer neuen Untersuchung hervor, die am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Mediendienst Integration vorgestellt wurde. Demnach hat die Ankunft von rund 1 Million Geflüchteter aus der Ukraine 2022 die lokalen Behörden vielerorts zwar vor große Herausforderungen gestellt, eine flächendeckende Überlastung wurde aber nicht festgestellt.
Laut den Autoren der Untersuchung, dem Sozialwissenschaftler Boris Kühn und dem Tübinger Flüchtlingskoordinator Julian Schlicht, gelang die Aufnahme dort vergleichsweise gut, wo die Behörden aus den Erfahrungen von 2015 gelernt hatten, als zuletzt sehr viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. Eine Rolle spielte außerdem, ob die damals etablierten Strukturen in Verwaltung und Aufnahmeeinrichtungen zwischenzeitlich wieder abgebaut wurden, oder ob sie beibehalten wurden. Es ergebe Sinn, Notfallkapazitäten dauerhaft vorzuhalten.
Zu bewältigen war die Unterbringung der Ukrainegeflüchteten auch deshalb, weil die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung sehr groß gewesen sei und Behörden das an vielen Orten zu nutzen wussten. „Proaktives“ Vorgehen der Kommunen, habe hier oftmals zum Erfolg geführt, so Kühn. Er berichtete von einer Kommune, bei der die Verwaltungsbeamt*innen „ausgeschwärmt“ seien, um private Wohnungen ausfindig zu machen, die für die Unterbringung von Geflüchteten angemietet werden konnten.
Vergleichsweise wenig Vorurteile
Geholfen habe auch, dass die Ukrainer*innen sich im Gegensatz zu anderen Geflüchteten selbstständig ihren Wohnort innerhalb Deutschlands aussuchen konnten. Deutschlandweit sei so ein Großteil der Ukrainegeflüchteten direkt im freien Mietmarkt zu einer Wohnung gekommen oder zumindest in staatlich organisierten Privatwohnungen untergekommen. Nur rund 250.000 Ukrainer*innen seien in klassischen staatlichen Unterkünften eingezogen.
Kühn sagte aber auch: „Wir können nicht für alle künftigen Krisen- und Fluchtsituationen von einer ähnlichen Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ausgehen.“ Die große Aufnahmebereitschaft im Fall der Ukrainer*innen habe auch damit zu tun, dass viele Menschen die Ukraine als kulturell ähnlich zu Deutschland ansehen und deshalb vergleichsweise wenig Vorurteile bestünden. Außerdem seien vor allem Frauen gekommen, die von vielen Menschen als vertrauenswürdiger angesehen werden, als die Männer, die sonst oft große Teile von Fluchtbewegungen ausmachen.
Über den Winter hatten insbesondere CDU-regierte Kommunen immer wieder geklagt, mit der Aufnahme der Ukrainer*innen finanziell und organisatorisch überlastet zu sein. Die Bundesregierung hatte es zunächst abgelehnt, mehr Geld dafür bereitzustellen. Anfang Mai hatte Bundeskanzler Olaf Scholz dann aber einmalig 1 Milliarde Euro extra zugesagt und auch Verschärfungen in der Asylpolitik in Aussicht gestellt.
Leser*innenkommentare
Jalella
Einer der vielen Fälle, in denen wir wieder mal große Unterschiede machen, auch wenn angeblich vor dem Gesetz jeder gleich behandelt wird. Das Verfassungsgericht sollte sich mal damit beschäftigen.
Bommel
Also mein EIndruck ist nicht, dass insbesondere CDU-regierte Kommunen immer wieder geklagt hätten, mit der Aufnahme der Ukrainer*innen finanziell und organisatorisch überlastet zu sein. Mir schien, dass das unabhängig vom Parteibuch der Fall war.