Geflüchtete und Mieten: Wenn die Miete höher als der Lohn ist
Arbeitende Flüchtlinge, die noch in Heimen leben, müssen bislang die oft hohen Wohnkosten selbst tragen. Das soll sich ab Januar ändern.
Der eklatante Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat manchmal Auswirkungen an ganz unerwarteten Stellen. Für Geflüchtete zum Beispiel kann die Unmöglichkeit, eine Wohnung zu finden, bisweilen auch dazu führen, dass eine angebotene Arbeit nicht angenommen wird.
Sie fragen sich, wie das sein kann? Die logische Kette ging bislang so: Ein Flüchtling findet keine Wohnung, bleibt über Jahre im Wohnheim hocken, eventuell sogar mit Frau und Kindern. Dann findet er endlich eine Arbeit. Doch von seinem Lohn werden ihm dann die Kosten für die Unterkunft abgezogen. Das macht pro Person je nach Unterkunft 600 bis 850 Euro monatlich. So kommen bei einer vierköpfigen Familie schnell 2.500 Euro Wohnkosten zusammen – eine hohe Miete für jemanden, der gerade ins Berufsleben einsteigt.
Abgesehen davon, dass viele Beobachter sich seit Langem fragen, wieso das Amt bei solchen Heimkosten nicht einfach edle Premiumwohnungen für Geflüchtete anmietet: Man braucht keine großen Rechenkünste, um festzustellen, dass bei solchen Wohnkosten vom Lohn für die meisten Jobs wenig bis gar nichts übrig bliebe – was nicht gerade ein Spitzenanreiz ist, eine Arbeit anzunehmen.
Bald gedeckelt
Nach zahlreichen Beschwerden von Flüchtlingsorganisationen über diese integrationspolitische Absurdität – denn wollen nicht alle, dass Geflüchtete so schnell wie möglich arbeiten? – hat die Politik nun ein Einsehen. Ab dem 1. Januar werden die Eigenanteile an den Wohnheimkosten für Geflüchtete, die arbeiten, gedeckelt sein: 344 Euro für eine Person, 590 Euro für zwei, maximal 738 Euro für drei und 984 Euro für vier Personen. Ab der fünften Person ist der Beitrag gekappt. Für Studierende und Auszubildende, die ansonsten keine staatlichen Leistungen bekommen, beträgt der Eigenanteil sogar nur 210 Euro.
Die Regelung gelte vorläufig, bis eine komplett neue Nutzungsentgeltverordnung für alle Wohnheime Berlins erarbeitet sei, erklärte die Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) auf taz-Anfrage. „Bislang waren die Beiträge ja unangemessen und zu hoch“, findet auch sie – sprich: eine klassische Politik des Fehlanreizes.
Christian Lüder von „Berlin hilft“, der den bisherigen Missstand mehrfach angeprangert hatte, ist jedenfalls zufrieden: „Das ist ein echter Fortschritt.“ Schließlich wollten ja alle, dass mehr Flüchtlinge arbeiten gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen