Geflüchtete aus Eritrea: Jahrelanges Warten, Ende ungewiss

1.200 anerkannte Flüchtlinge aus Eritrea warten, ihre Familien nach Deutschland holen zu dürfen. Die sitzen in Äthiopien, Libyen und dem Sudan fest.

Open Arms in Deutschland? Das Gegenteil ist der Fall Foto: Javier Fergo/AP

Es ist die erste Demonstration seines Lebens. Yohannes E. ist dafür extra aus einem kleinen Ort bei Passau nach Berlin gereist. Der anerkannte Flüchtling aus Eritrea lebt seit sechs Jahren hier und hat eine Ausbildung als Bäckereifachverkäufer absolviert. Seine Familie hängt in Äthiopien fest und wartet auf den Familiennachzug.

Darauf haben Familien von anerkannten Flüchtlingen ein Recht, doch Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei. Um ihr Recht auch zu bekommen, zogen am Montag mehr als 1.000 eritreische Flüchtlinge aus dem gesamten Bundesgebiet durch das Berliner Regierungsviertel. Für viele von ihnen ist es die erste Demonstration ihres Lebens. Sie hielten sich exakt an die Hygieneregeln. Die Erwartungen sind groß.

Die Flucht vom Horn von Afrika nach Europa über die Sahara, den Bürgerkriegsstaat Libyen und das Mittelmeer ist so gefährlich, dass sich oft nur die Männer auf den Weg machen. Laut offizieller Statistik sind weit über 80 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland aus dem kleinen Land Eritrea männlich. Die meisten bekommen wegen der katastrophalen Menschenrechtslage Asyl.

Viele von ihnen sind jedoch verheiratet. Nach Angaben der Eritreischen Gemeinschaft aus Berlin und Umgebung warten derzeit 1.200 Flüchtlinge darauf, ihre Familien nachholen zu können. Die Frauen und Kinder harren in Äthiopien, dem Sudan oder Libyen aus, bis sie nach Deutschland einreisen dürfen.

Ein Stempel fehlt

„Dort warten sie über Jahre“, erklärt Asylberater Daniel Mader. Von Eritrea aus könne niemand einen Antrag auf Familiennachzug stellen. In den Nachbarstaaten warte man zuerst sechs Monate auf die Registrierung beim UNHCR als Flüchtling und anschließend rund ein Jahr auf einen Termin bei der deutschen Botschaft. Die Bundesregierung hat diese Zeiten auf Anfrage der linken Abgeordneten Ulla Jelpke im Mai bestätigt.

„Bei der deutschen Botschaft muss unsere Familie dann Dokumente einreichen, die wir nicht haben“, beklagt ein Redner auf der Demo. In Eritrea werden Geburten und Ehen überwiegend nur kirchlich registriert. Das Auswärtige Amt verlange aber eine staatliche Beglaubigung von kirchlichen Geburts- und Eheurkunden. Etwa drei Viertel der Anträge auf Familiennachzug werden nach einer Bearbeitungszeit von sechs bis acht weiteren Monaten durch die deutschen Botschaften abgelehnt, weil der Stempel fehlt.

Der aber könne durch eritreische Behörden nur unter Bedingungen erbracht werden, die die Demonstranten als unzumutbar bezeichneten. Denn Eritrea, aus dem im Verhältnis zur Bevölkerung so viele Flüchtlinge nach Europa kommen wie aus keinem anderen Staat, erhebt von im Ausland lebenden Staatsbürgern eine sogenannte Diasporasteuer. Sie beträgt zwei Prozent des Einkommens ab der Flucht und wird fällig, sobald man konsularische Dienste in Anspruch nimmt.

Zusätzlich muss man schriftlich erklären, die Flucht aus Eritrea zu bereuen. Wer sich weigert, die Diktatur zu bezahlen, bekommt keinen Stempel. Klagen eritreische Familien gegen eine Ablehnung des Antrags auf Familiennachzug, lässt sich das Auswärtige Amt in einem gerichtlichen Vergleich oft darauf ein, auch kirchliche Urkunden als Nachweis von Ehe und Vaterschaft zu akzeptieren, so die Erfahrung der Caritas.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage von Ulla Jelpke argumentiert das Auswärtige Amt, die Beamten in den deutschen Auslandsvertretungen seien oft nicht qualifiziert, die unterschiedlichen kirchlichen Dokumente auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Bis ein Gericht entscheidet, vergehen Jahre. So warten viele der Eritreer, die am Montag durch Berlin demonstrierten, seit 2014 oder 2015 auf ihre Familien. „Ich vermisse Euch – Tag und Nacht“, steht auf einem der vielen Plakate.

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