: Gefahr nicht gebannt
Das Bremer Verwaltungsgericht bestätigt das Verbot der groß angekündigten Querdenker-Demo am Samstag. Die Veranstalter*innen werben trotzdem weiter für die Teilnahme
VonLotta Drügemöller
Groß sollte es werden und prominent; „Querdenken 421“, der Bremer Ableger der Gegner*innen aller Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, wollte sich auf der Karte der jüngsten großen Demos einschreiben: Berlin, Leipzig, Bremen. Stars der Szene sollten auftreten, Michael Ballweg, der Schriftsteller Anselm Lenz, der Busunternehmer Alexander Ehrlich – alles Namen, die bereits bei vorangegangenen eskalierten Veranstaltungen auf der Rednerliste standen. Mit einer fünfstelligen Teilnehmer*innenzahl rechneten die Veranstalter*innen: 20.000 Demonstrierende sollten zur Demo an der Bürgerweide kommen, weitere 10.000 wurden für die Demo „Kinderlachen“ erwartet, die im Anschluss am Marktplatz stattfinden sollte.
Beide Aufmärsche hat die Innenbehörde bereits am Dienstag verboten, um ein mögliches Superspreader-Ereignis zu verhindern. Das Verbot ist jetzt auch gerichtlich bestätigt: Den Eilantrag eines Demo-Anmelders hat das Verwaltungsgericht Bremen am Mittwochabend zurückgewiesen. Ob sich die Teilnehmenden an das Verbot halten werden, steht aber noch aus. Einiges spricht dagegen.
Als „hanebüchen und geradezu irre“ hatte Ulrich Mäurer (SPD) die Planungen für die Demo bezeichnet. Die Erfahrungen der vergangenen bundesweiten Demonstrationen zeigten, so der Innensenator, dass die Querdenker weder Abstandgebote einhielten noch die Maskenpflicht befolgten. Dieser Argumentation hat sich das Verwaltungsgericht Bremen am Mittwoch angeschlossen: Es sei plausibel, dass die Polizei den Infektionsschutz aller Teilnehmer*innen nicht überwachen könne. Um diese Gefahr zu prognostizieren, sei es, so das Gericht, zulässig, frühere Ereignisse als Indizien heranzuziehen, „soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen“.
Das ist der Fall: Nicht nur Redner*innen und eingeladene Gäste sind zum großen Teil die gleichen wie bei den eskalierten Veranstaltungen in Berlin und Leipzig; die Organisator*innen berufen sich in einem Video und in anderen Kanälen auch ganz explizit auf vorangegangene Proteste: „Ihr wisst wie das geht -> Leipzig“ schreibt „Querdenken421“ in einem Facebook-Post.
Die Querdenker haben nun Widerspruch beim Oberverwaltungsgericht eingelegt, eine Entscheidung steht noch aus. Das Verbot hält sie bisher nicht davon ab, weiter bundesweit für die Versammlung zu mobilisieren: „Wir legen Widerspruch gegen alle Entscheidungen ein“, heißt es auf der Facebook-Seite von „Querdenken 421“. „Kommt alle am Samstag nach Bremen!“ Auch der eigentliche Demoaufruf ist weiter als Beitrag auf der Seite fixiert, erscheint also ganz oben.
Sie begehen damit eine Straftat: „Wer öffentlich zur Teilnahme an einer öffentlichen Versammlung auffordert, nachdem die Durchführung durch ein vollziehbares Verbot untersagt worden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es in Paragraf 23 des Versammlungsgesetzes. Das gelte auch, so Pia Lange, Professorin für Öffentliches Recht an der Uni Bremen, wenn noch eine Beschwerde vor einer höheren Instanz laufe: „So eine Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.“
Pia Lange, Professorin für Öffentliches Recht
Die Querdenken-Anmelder*innen äußern sich nicht; eine taz-Anfrage bleibt bis Redaktionsschluss unbeantwortet, den Aufruf löschen sie nicht.
„Werbung dafür wäre das Aufrufen zu einer Straftat“, sagt Nils Matthiesen, Sprecher der Polizei Bremen. Übers konkrete weitere Vorgehen bewahrt er noch Stillschweigen. „Aber wenn wir den Verdacht einer Straftat haben, werden wir unsere Rechtsmittel prüfen. Wir haben unseren Blick darauf.“
Unabhängig von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hält sich die Polizei bereit für den Fall, dass die Querdenker*innen am Samstag doch zur Demo nach Bremen fahren. Auch für die Gegendemo wird weiter mobilisiert – die Querdenken-Fans, vermutet Oskar Deuter vom Bremer „Bündnis gegen Rechts“, würden sich an ein Verbot „ohnehin nicht halten“.
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