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Gefängnisleiter zahlt die StrafeUmwelt-Aktivistin bleibt Knast erspart

Kletter-Aktivistin Cécile Lecomte wollte 20 Euro Bußgeld wegen einer Anti-Atom-Aktion nicht zahlen. Also sollte sie ins Gefängnis. Doch der JVA-Leiter sprang ein.

Die Kletter-Aktivistin Cécile Lecomte ist auch als „Eichhörnchen“ bekannt Foto: Bernd Thissen/dpa

GÖTTINGEN taz | Wenn irgendwo in Deutschland gegen Atomkraftwerke oder Atomtransporte, Kohletagebau oder Mammutprojekte wie „Stuttgart 21“ demonstriert wird, ist Cécile Lecomte meist mit dabei. Oft seilt sich die auch als „Eichhörnchen“ bekannte Umweltaktivistin dann von Bäumen oder Brücken ab, um Fuhren mit radioaktiver Ladung zu blockieren.

Fast ebenso häufig wird sie dabei in Polizeigewahrsam oder festgenommen und muss sich in der Folge vor Gerichten verantworten. Lecomte verteidigt sich dort selbst und nutzt den Verhandlungssaal als Forum: Kriminell seien diejenigen, die AKWs errichteten und nicht die, die dagegen demonstrierten, ist eines ihrer Mantras.

Schon gar nicht sieht die 35-Jährige ein, gegen sie verhängte Bußgelder zu bezahlen. Lieber, sagt sie, gehe sie ins Gefängnis.

Ende Mai 2012 demonstrierten Lecomte und andere Umweltschützer in Münster gegen ein Schiff, das einen Dampferzeuger aus dem abgeschalteten Atomkraftwerk Obrigheim über den Dortmund-Ems-Kanal ins Zwischenlager Lubmin transportierte.

Von einer Kanalbrücke abgeseilt

Die frühere französische Jugendmeisterin im Sportklettern, die seit vielen Jahren in Lüneburg lebt, und ein weiterer Aktivist seilten sich von einer Kanalbrücke ab. Das Transportschiff konnte nicht weiterfahren und musste die Nacht über in Münster bleiben.

Ein Spezialkommando der Polizei beendete schließlich die Blockade. Lecomte wurde für einen Tag inhaftiert. Wegen „Fehlbenutzung einer Schifffahrtsanlage“ verurteilte das Dortmunder Schifffahrtsgericht sie zu einem Bußgeld von 20 Euro. Weil sie auch diese nicht zahlen wollte, wurde Erzwingungshaft gegen Lecomte verhängt.

Gestern sollte sie diese in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hildesheim antreten. Vor Ort wurde ihr jedoch mitgeteilt, das Bußgeld sei inzwischen beglichen worden – angeblich von der für Hildesheim mit zuständigen JVA Vechta. Eine Sprecherin der Anstalt stellte auf taz-Anfrage klar, dass die 20 Euro vom Gefängnischef persönlich bezahlt wurden – und zwar als Spende, nicht etwa aus Haushaltsmitteln. Der Anstaltsleiter sei der Ansicht gewesen, „dass dies für alle Beteiligten die beste Lösung ist“.

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7 Kommentare

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  • Der JVA chef hat nun auch erläutert weshalb er das Bußgeld bezahlt hat, aus dem Gespräch mit dem NDR:

     

    Ärger für Gefängnisdirektor

     

    Der Anstaltsleiter befürchtete offenbar, dass seine Mitarbeiter eine Menge Arbeit mit der Aktivistin haben könnten. "Ich wusste, dass die Aktivistin die Tageshaft als politische Bühne nutzen wollte", sagte JVA-Leiter Oliver Weßels NDR 1 Niedersachsen. Dies habe er verhindern wollen. Die Zahlung bereut er jedoch inzwischen. "Nun hat die Aktivistin die Bühne, die sie haben wollte, da habe ich aus Blauäugigkeit nicht dran gedacht", gesteht Weßels. Denn Lecomte machte die Bußgeldübernahme öffentlich. "Nun habe ich zahlreiche Interviewanfragen", ärgert sich der JVA-Chef. Und: Einen Bericht ans Justizministerium wird er auch schreiben müssen. "Jetzt habe ich die Arbeit, die ich meinen Mitarbeitern ersparen wollte", so Weßels.

  • 20000.-€ wegen 2 Tage Preesrummel, glaub ichh nicht. Der Mann hat einfacxh Zivilcourage gezeigt. Könnte Richtern Staatsanwälten und Politikern auch gut stehen.

    • @Rita Dütsch:

      @Rita Dütsch: 20€ nicht 20000€. Das macht da schon einen Unterschied, das kann man auch mal zahlen, wenn man keine Lust auf Presserummel hat. Trotzdem eine gute Aktion.

  • Ein bemerkenswerter Gemeinsinn des Gefängnischefs.

    • @Ulrich Frank:

      Man könnte es auch als Ohrfeige verstehen. Ein Privatmann hat gezahlt, nicht der Staat die Strafe fallen lassen. Rein rechtlich ist die Aktivistin reumütig gewesen und der Fall kann zu den Akten. Im bürokratischen Sinn hat der Anstaltsleiter genial gehandelt und auch wegen einer vermeintlich moralischen Handlung.

    • @Ulrich Frank:

      Pragmatisch der Mann. Hatte einfach keine Lust auf Presserummel vor seiner JVA.