Gedenkfeier in Buchenwald: Gedenken nicht instrumentalisieren
Die Absage an Boehm hat die Gedenkfeier davor gerettet, politisch instrumentalisiert zu werden und Überlebende zur Staffage werden zu lassen.

G edenken an die Opfer der NS-Terrorherrschaft in einem ehemaligen KZ eignet sich nicht für tagespolitische Auseinandersetzungen. In Buchenwald geht es darum, das Erinnern an die 56.000 Ermordeten wachzuhalten und vor Neonazis heute zu warnen. Zum 80. Jahrestag der Befreiung haben es sich einige Menschen, die das KZ-System überlebt hatten, nicht nehmen lassen, den Ort noch einmal zu besuchen.
Es fehlte am Sonntag in Buchenwald nicht an mahnenden Worten. Dennoch war dieser Tag gestört. Ursprünglich sollte der israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm hier eine Rede halten. Doch er blieb der Veranstaltung fern – auf Bitten des Gedenkstättenleiters Jens-Christian Wagner, der ihn zuvor selbst eingeladen hatte. Eine Rede Boehms sei „eine eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer“, hatte die israelische Botschaft in Berlin zuvor erklärt.
Wagner hat mit seiner Absage an Boehm das einzig Richtige getan. Er hat damit das Gedenken davor gerettet, politisch instrumentalisiert zu werden und Überlebende zur bloßen Staffage werden zu lassen. Wagner hat zugleich deutlich gemacht, was er von der israelischen Intervention hält: „Einem Enkel einer Holocaustüberlebenden das Wort zu versagen, das ist wirklich das Schlimmste, was ich in 25 Jahren Gedenkstättenarbeit erlebt habe“, sagte er.
Boehm sprach also nicht. Der israelische Botschafter Ron Prosor mag ob seines Sieges triumphieren. In Wahrheit ist er der Verlierer, ebenso wie der Staat Israel. Denn seine Forderung, einem Kritiker der israelischen Regierung das Wort abzudrehen, wirft ein Licht auf den Zustand der Vorstellungen von Demokratie unter der Regierung von Benjamin Netanjahu. Wer diesen Vorstellungen widerspricht, hat sich zu beugen. Aus oppositionellen jüdischen Stimmen werden Staatsfeinde kreiert. Kritische Geheimdienstchefs werden entlassen, die Justiz soll enthauptet werden.
Gedankenfreiheit zulassen
Kritiker werden an den Pranger gestellt. So geschieht es auch mit Boehm: Der versuche, „unter dem Deckmantel der Wissenschaft“ das Gedenken zu verwässern. Tatsächlich ist Boehm einer der schärfsten Kritiker der Regierenden ebenso wie der Linken in Jerusalem. Er spricht sich für die Universalität der Menschenrechte aus, jenseits von Nation oder Identität. Er lehnt eine Zweistaatenlösung ab und plädiert für ein gemeinsames Land von Juden und Palästinensern.
Diese Idee ist in beiden Völkern chancenlos. Sie hat absolut nichts mit dem eliminatorischen Antisemitismus der Hamas gemein. Man muss diese Idee von einer Überwindung des Zionismus nicht teilen. Aber doch Gedankenfreiheit zulassen.
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