Gedenken in Frankreich: „Charlie Hebdo“ zum ersten Jahrestag
Der neue Titel des Satiremagazins sorgt für Furore, eine Gedenktafel wird am Tatort enthüllt und eine Witwe stellt Strafanzeige gegen die Behörden.
Wenige Wochen vor dem Überfall der Redaktion habe ein Unbekannter das Haus im 11. Pariser Stadtbezirk aus einem Auto beobachtet und dann Leute gefragt, ob das die richtige Adresse sei, und ob dort die Zeitung sei, die „den Propheten kritisiert“. Die Adresse von Charlie Hebdo war allerdings nicht geheim, sie stand im Telefonbuch.
Ingrid Brinsolaro, Redakteurin der Zeitung L’Eveil Normand, weiß auch, dass Charb (Stéphane Charbonnier) aus Holland die Information erhalten hatte, dass er zusammen mit Salman Rushdie vom Al-Qaida-Propagandaheft Inspire auf eine Liste von elf zu ermordenden Gegnern gestellt worden war. Alle mehr als begründeten Warnungen seien aber nicht beachtet worden. Aufgrund ihrer Klage erwartet die Witwe des getöteten Leibwächters von der französischen Justiz eine Erklärung dafür, dass ihr Mann „nicht über die nötigen Mittel verfügte, um sich und die Personen zu verteidigen, mit deren Schutz er beauftragt war“.
Der Jahrestag der Attentate gegen Charlie Hebdo und das jüdische Geschäft Hyper Casher ist aber auch Anlass verschiedener Gedenkanlässe. Am Dienstag hat Staatspräsident François Hollande an der Seite der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude und den anderen Orten des Geschehens Gedenktafeln mit den Namen der Terroropfer eingeweiht. Am Sonntag ist ein Konzert auf der Place de la République geplant.
Charlie Hebdo bringt ein Sonderheft in einer Großauflage von einer Million heraus, dessen religionskritische Texte und Karikaturen bereits vor dem Erscheinen im Internet neuerliche Polemik auslösen. Besser könnte Charlie Hebdo nicht beweisen, dass der unerschrockene Geist der Provokation trotz der terroristischen Einschüchterungsversuche so lebendig ist wie vor dem 7. Januar 2015.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“