Gebäudeeinsturz in Jordanien: Ein Haufen Trümmer in al-Lweibdeh
In einem Viertel der jordanischen Hauptstadt Amman sind durch einen Gebäudeeinsturz fünf Menschen gestorben. Das heizt Streit über Gentrifizierung an.
Die Einsatzkräfte kommen und gehen, jemand fordert die Passanten auf, zurückzutreten, ein Mann mit verstaubtem T-Shirt und blassem Gesicht wird aus dem Einsatzort begleitet. Eine Frau mittleren Alters mit blauen Kopftuch sitzt auf dem Gehweg, sie betet und weint. Noch befinden sich Menschen unter dem Schutt.
Es sind dramatische Szenen, die sich am Dienstagnachmittag in Jabal al-Lweibdeh, einem zentral gelegenen Viertel der jordanischen Hauptstadt Amman, abspielen. Fünf Menschen sind bei einem Gebäudeeinsturz ums Leben gekommen. Darunter befinden sich eine 19 Jahre alte Frau und ein achtjähriges Kind.
Die Sicherheitsbehörden bestätigten am Dienstagabend sieben Verletzte, medizinisches Personal in den Krankenhäusern spricht von 14. Die Bergungsarbeiten sind noch im Gange. Laut Quellen vor Ort sollen mehrere Menschen unter den Trümmern noch am Leben sein.
Viele geben höheren Gebäuden im Viertel die Schuld
„Wir haben den Einsturz gefühlt, unser Gebäude hat gewackelt“, sagt eine 63-jährige Anwohnerin, die sich nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt des Einsturzes etwa vier Wohnhäuser weiter befand. Wie andere Bewohner*innen im Viertel gibt sie dem Bau eines höheren Gebäudes neben dem kollabierten Haus die Schuld. „Es tut weh, dass alte Gebäude zerstört werden und neue gebaut werden; nur, um mehr Geld daraus zu gewinnen“, sagt sie.
Ihr pflichtet eine junge Frau bei: „Wir haben jahrelang gekämpft, um den Bau von hohen Gebäuden in Jabal al-Lweibdeh zu verhindern, Unterschriften gesammelt, aber niemand interessiert sich dafür.“
Hundert Meter vom Ort des Geschehens entfernt, in den Parallelstraßen, sitzen Einheimische und Touristen in Imbissläden und Restaurants. Jabal al-Lweibdeh, auch al-Weibdeh genannt, ein altes Viertel mit Hippieflair, ist unter Ausländer*innen beliebt – nicht zuletzt wegen der vielen Cafés und lebendigen Kunstszene. Hier reihen sich alte, teils auch renovierungsbedürftige Wohnhäuser mit hellen Steinfassaden an einspurigen Straßen.
Der Einsturz hat offenbar die Debatte über die Gentrifizierung des Viertels unter Anwohner*innen wieder aufflackern lassen. Seit Jahren kritisieren lokale Initiativen, alte Gebäude würden abgerissen oder umfunktioniert, etwa um Platz für neue Wohneinheiten oder internationale Kettenläden zu schaffen.
Das Viertel ist auch für Ausländer*innen attraktiv
Die vielen Cafés und Bars machen al-Lweibdeh zwar für Ausländer*innen und junge Menschen attraktiver, führen aber auch zu höheren Mieten, die sich jordanische Normalverdiener kaum leisten können. „Wir versuchen, das Erbe dieses Viertels zu bewahren. Wir brauchen keine weiteren unschönen Gebäude. Seit zehn Jahren kommen Menschen und wollen investieren, viele Cafés aufmachen und die Infrastruktur von al-Weibdeh verändern“, sagt Suheil Baqaeen, Geschäftsführer des lokalen Vereins Friends of al-Weibdeh.
Die Ursachen des Einsturzes sind jedoch noch unklar. Auf Nachfrage der taz verwies ein Sprecher des Ministeriums für Wohnungswesen auf die Ankündigung des Premierministers Bisher Khasawneh, dass eine Untersuchung des Unfalls gestartet wurde. Die Stadtverwaltung wollte keine Stellungnahme abgeben. Laut Zivilingenieur Bashar Tarawneh ist es nicht besonders wahrscheinlich, dass das neue Wohnhaus für den Zusammensturz des älteren verantwortlich ist. „Das neue Gebäude ist bereits seit einem Jahr da. Wäre es die Ursache, hätte man Anzeichen bereits während des Aufbaus sehen können.“
In der Nacht gehen die Rettungsarbeiten weiter. Mehrere Scheinwerfer, platziert auf den umliegenden Häusern, werfen Lichtstrahlen auf die Trümmer, aus denen Einsatzkräfte des Zivilschutzes unermüdlich versuchen, Überlebende zu bergen. Die Suche war am Mittwoch noch im Gange. Kurz vor Mittag eine freudige Nachricht: Die Sicherheitsbehörden geben bekannt, dass ein 50 Jahre alter Mann gerade gerettet werden konnte.
Für viele Angehörige geht das qualvolle Warten jedoch weiter.
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