Gastspiel der Major Baseball League: Churchill als Maskottchen
Mit den „London Series“ will die Major League Baseball in Europa neue Fans dazugewinnen. Dafür wird kein Aufwand gescheut.
S elbst in England hat die fußballlose Zeit begonnen, aber am Wochenende war das London Stadium trotzdem voll. Aber wo sonst der Traditionsklub West Ham United einen Ball mit Füßen tritt, wurden diesmal viel kleinere Bälle mit runden Holzprügeln geschlagen.
Auch hier waren Traditionsklubs zugange: Die St. Louis Cardinals, deren Geschichte bis 1881 zurückreicht, und die Chicago Cubs, die sogar noch einmal fünf Jahre älter sind, waren über den Großen Teich gekommen, um zwei Spiele gegeneinander auszutragen – und vor allem, um für Baseball Werbung zu machen.
Denn die Major League Baseball (MLB) hat globale Ambitionen. Die sogenannte London Series ist – neben Investitionen in die Jugendarbeit – ein zentraler Teil der Strategie, die „National Pastime“, den nationalen Zeitvertreib der USA, weltweit bekannter zu machen. Bislang spielt Baseball vor allem in Nord- und Lateinamerika und Ostasien eine große Rolle, in Japan ist es die beliebteste Mannschaftssportart noch vor Fußball. In Australien, Mexiko, Japan und Puerto Rico fanden bislang schon reguläre Spiele der MLB statt, nun aber soll endlich auch Europa, der „zentrale Wachstumsmarkt“, so ein MLB-Funktionär, eine Faszination für den US-amerikanischen Nationalsport entwickeln.
Die erste „London Series“ fand 2019 statt, damals durften die New York Yankees und die Boston Red Sox in London auflaufen. Die für 2020 angedachte Wiederauflage wurde durch die Covid-Pandemie um drei Jahre verschoben, die nächsten MLB-Ausflüge ins London Stadium sind für 2024 und 2026 fest geplant. Nächstes Jahr haben die New York Mets und die Philadelphia Phillies die Ehre, und 2025 möchte man eine „Paris Series“ einschieben, verkündete MLB-Boss Rob Manfred in London.
Spezielle Erde aus den USA
Und Europa scheint bereit – wenn man das Event im London Stadium als Maßstab nimmt. 110.000 Zuschauer*innen kamen insgesamt zu den beiden Spielen ins für die Olympischen Spiele 2012 errichtete Stadion, das mit großem Aufwand 18 Tage lang von 400 Arbeitern umgebaut worden war. Ein Kunstrasen wurde verlegt, 345 Tonnen spezielle Erde wurde aus den USA herangeschafft und zum Wurfhügel aufgetürmt, sogar größere Umkleidekabinen wurden eigens errichtet.
Auch ansonsten wurde versucht, das typisch amerikanische Baseball-Erlebnis in die Heimat des Cricket zu exportieren. Die belegten Brote hatten XXXL-Ausmaße, zum siebten Inning intonierte das Publikum inbrünstig den Baseball-Klassiker „Take Me Out To The Ball Game“. Auch das in den USA beliebte Wettrennen der Maskottchen fand statt, allerdings mit britischem Bezug: Die Kostüme mit den riesigen Köpfen sollten Winston Churchill, Heinrich VIII. und Freddie Mercury darstellen.
Der sportliche Wert der Veranstaltung war da naturgemäß sekundär. Einmal durften die Cubs gewinnen, einmal die Cardinals, und am Ende waren alle zufrieden. MLB-Chef Manfred rechnete vor, dass sich seit der ersten „London Series“ die Zahl der Briten, die sich als Baseball-Fans bezeichnen, verdoppelt habe. „Ein wundervolles Wochenende“, tweetete der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan.
„Baseball ist in Europa offensichtlich nicht die wichtigste Sportart, aber dass wir so ein großes Publikum begeistern konnten, das ist eine große Sache“, sagte Cardinals-Outfielder Lars Nootbaar und äußerte die Hoffnung, „dass wir ein paar Kids dazu inspiriert haben, sich einen Handschuh und einen Schläger zu kaufen, und in den Garten zu gehen und ein bisschen Baseball zu spielen“.
Ob Nootbaar recht behält und die MLB-Strategie erfolgreich sein wird, muss die Zukunft zeigen. Die „Hall of Fame“ baut auf jeden Fall schon einmal vor für diese Zukunft. Das Baseball-Museum im Cooperstown sammelte in London vorsorglich möglichst viele Erinnerungsstücke ein. Die Spielbälle, Handschuhe, Trikots und Kappen wandern nun ins Archiv, um irgendwann vielleicht einmal für eine Sonderausstellung mit dem Titel „Wie Baseball zum globalen Sport wurde“ verwendet werden zu können.
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