piwik no script img

Gastkommentar Journalisten in der TürkeiStrukturelle Gewalt gegen die Presse

Kommentar von Frank Überall

Die Türkei weigert sich, Journalisten zu akkreditieren. Es ist höchste Zeit, dass die UN einen Sonderbeauftragten für Pressefreiheit beruft.

Präsident Erdoğan will seine Hofberichterstatter anscheinend von Hand verlesen Foto: reuters

W ie wäre es doch schön, wenn man sich diejenigen, die über die eigene Tätigkeit berichten, höchstpersönlich aussuchen könnte! Die Erfolg versprechende Organisationsform für das Fernhalten unliebsamer Journalistinnen und Journalisten nennt sich Diktatur. Zu beobachten ist das in vielen Ländern der Welt. Jetzt ist der Fokus der Betrachtung mal wieder auf die Türkei scharfgestellt.

Medienschaffende von ZDF und Tagesspiegel sind dem Präsidenten Erdoğan unliebsam geworden, sie sollen nicht mehr berichten dürfen. Der Despot vom Bosporus will ihnen keine Presseakkreditierung mehr geben lassen. Die Reporterinnen und Reporter dürfen damit bald nicht mehr in der Türkei arbeiten, sie müssen das Land verlassen – abgeschoben aus ideologischen Gründen.

Für Medienmenschen in der Türkei gehören solche Repressalien zum Alltag. Mit der Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel gab es in Deutschland zeitweise eine gewisse Aufmerksamkeit für dieses Problem. Die aktuelle Laune Erdoğans führt uns vor Augen, dass wir uns künftig immer weniger unabhängig über die Situation in der Türkei informieren können. Die Fälle des willkürlichen Akkreditierungsentzugs strahlen auch warnend auf andere aus. Mit Demokratie hat das nichts mehr zu tun.

Dieser Wunschtraum der Mächtigen ist zugleich der Todesstoß für einen freiheitlichen gesellschaftlichen Diskurs. Pressefreiheit ist ein Menschenrecht, das auch in den internationalen Regeln der Vereinten Nationen fest verbrieft ist. Der Wunsch nach einem UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von journalistisch Tätigen gewinnt mit dem Handeln der Türkei neue, dringliche Aktualität.

Frank Überall

ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet als freier Journalist und lehrt als Professor an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln.

Der Deutsche Bundestag hatte sich bereits im Sommer 2018 für die Einführung einer solchen Position ausgesprochen. Es wird Zeit, dass den Worten Taten folgen – damit auch die strukturelle Gewalt des nicht nur türkischen Staates gegenüber einer freien Presse international angemessen untersucht und geächtet werden kann. Auch das beugt Diktaturen vor.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • In den USA hätte das Nr.45 auch gerne so, aber noch traut er sich nicht. Irgendwo braucht er das auch nicht, denn die sogenannten "main stream media" sind ohnehin schon handzahm.