Pressefreiheit in Türkei: Deutsche Reporter rausgeschmissen
Die Türkei-Korrespondenten von ZDF und „Tagesspiegel“ sind ausgereist. Außenminister Heiko Maas verschärft die Reisehinweise für die Türkei.
Ein weiterer Kollege, der NDR-Fernsehjournalist Halil Gülbeyaz, erhielt ebenfalls keine neue Pressekarte für das Jahr 2019, hält sich momentan aber ohnehin in Deutschland auf. ZDF und Tagesspiegel kündigten an, gegen die Ausweisung ihrer Korrespondenten klagen zu wollen.
Trotz heftigen Protests der Bundesregierung und diverser Journalistenverbände nahm die türkische Regierung ihre Entscheidung nicht zurück. Besonders für Thomas Seibert ist das ein schwerer Schlag. Er hatte seit 1997 in der Türkei gearbeitet und war dort durchgängig als Journalist akkreditiert.
Sowohl Bundesaußenminister Heiko Maas als auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier, die im vergangenen Jahr die Türkei besucht hatten und sich für eine Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen einsetzen, hatten in den letzten Tagen mit ihren türkischen Kollegen telefoniert und eine Rücknahme der Entscheidung gefordert.
In einem am Sonntag im Tagesspiegel veröffentlichten Interview sagte Maas: „Wenn Journalisten an der Arbeit gehindert werden, ist das mit unserem Verständnis von Pressefreiheit nicht vereinbar. Dass einige deutsche und andere europäische Korrespondenten ihrer Arbeit in der Türkei nicht frei nachgehen können, ist für uns nicht akzeptabel.“ Die Bundesregierung werde diese Sache nicht auf sich beruhen lassen. „Wir werden weiter dafür eintreten, dass Journalisten ohne Beschränkung in der Türkei arbeiten können. Das weiß mein türkischer Kollege.“
Bei einem Türkeibesuch könnte eine Festnahme drohen
Als Reaktion auf die Ausweisung der deutschen Journalisten hat das Auswärtige Amt die Reisehinweise für die Türkei verschärft. Es könne nicht ausgeschlossen werden, „dass die türkische Regierung weitere Maßnahmen gegen Vertreter deutscher Medien sowie zivilgesellschaftlicher Einrichtungen ergreift“.
Heiko Maas, Bundesaußenminister
Die Bundesregierung warnt zudem davor, dass bestimmten Reisenden im Falle eines Türkeibesuchs eine Festnahme droht. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu hatte in mehreren Wahlkampfreden in den vergangenen Tagen gesagt, Leute, die im Ausland Veranstaltungen „terroristischer Organisationen“ besucht hätten, sollten lieber nicht in Antalya oder an anderen Orten in der Türkei Urlaub machen. Sie würden bei der Einreise festgenommen. Soylu bezieht sich damit auf Veranstaltungen PKK-naher Organisationen oder der Gülen-Sekte, die in der Türkei seit dem Putschversuch 2016 wie die PKK als „terroristische Organisation“ gilt.
Außenminister Maas verwies darauf, dass Äußerungen, auch solche in sozialen Medien, die in Deutschland von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, in der Türkei zur Festnahme oder Zurückweisung an der Grenze führen könnten. Solche Fälle waren im Jahr 2018 zwar seltener als noch 2017, könnten nach den Äußerungen des türkischen Innenministers aber wieder zunehmen.
Für Journalisten – ausländische wie auch einheimische – ist die Türkei generell ein schwieriges Land. Mehr als einhundert türkische Journalisten sitzen im Gefängnis. Insbesondere seit dem niedergeschlagenen Putsch im Sommer 2016 müssen auch ausländische Korrespondenten mit Repressalien rechnen. Neben den jetzt ausgewiesenen Journalisten warten immer noch etliche deutsche, andere europäische und US-amerikanische Journalisten auf die Verlängerung ihrer Akkreditierung für das Jahr 2019. Allerdings wurden in der vergangenen Woche mehrere Korrespondenten informiert, dass ihre neue Pressekarte genehmigt worden sei.
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