Gaslieferungen durch die Ukraine: Russland liefert wieder mehr Gas
Die Preise für russisches Gas sinken. Es zeigt sich: Die Strategie des Kreml, Europa frieren zu lassen, ist nicht aufgegangen.
Über die Gasmessstation im russischen Sudscha geht das Gas nach Mittel- und Zentraleuropa. Es ist die einzige Pipeline, die Europa mit russischem Gas versorgt. 2022 hatte Russland über diese Pipeline, so die ukrainische Plattform expro.com.ua, die Slowakei, Moldau, Polen und Rumänien beliefert. Bisher waren die Liefermengen fallend. Seit Mai 2022 importieren Polen und die Slowakei überhaupt kein Gas mehr aus Russland, so expro.com.ua.
In einem 2019 geschlossenen Vertrag haben sich die Ukraine und Russland auf eine Mindestlieferung von 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland durch das ukrainische Gasfernleitungsnetz pro Jahr geeinigt, das sind 109 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag. Man hatte sich auf das Prinzip pump or pay geeinigt. Das bedeutet, Gazprom muss, wenn es tatsächlich weniger Gas durch die Pipeline schickt, für die Gasmenge, die unterhalb der vereinbarten Liefermenge von 40 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr bleibt, bezahlen.
2022 hatte die Ukraine 20 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas durch sein Netz nach Westeuropa weitergeleitet. Das ist die niedrigste Menge seit 1991. 1996 und 1998 waren es gar 140 Milliarden Kubikmeter Gas gewesen. Und da Gazprom nicht für die vereinbarte Gesamtmenge von 40 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr bezahlen will, trat der ukrainische Konzern Naftogaz im September den Gang zum Schiedsgericht der Internationalen Industrie- und Handelskammer in Paris an. Welche Summe man einklagen wollte, hatte der ukrainische Kläger verschwiegen.
Russland hat im vergangenen Jahr versucht, gezielt die Infrastruktur der ukrainischen Energieversorgung zu zerstören. Dass die Pipeline Richtung Westen unbeschadet geblieben ist, dürfte eigenen russischen Interessen geschuldet sein.
Und so rät der in Odessa lebende Blogger Wjatscheslaw Asarow auf seinem Telegram-Kanal: „Versteckt euch bei einem Angriff in der Nähe der Pipeline. Da wird man bestimmt nicht drauf schießen.“ So erfreulich der Umstand ist, dass die Gebiete, durch die die Pipeline verläuft, bisher von russischen Raketen verschont geblieben sind: Mit humanitären Überlegungen hat das russische Interesse, die Durchlaufmengen von russischem Gas durch die Ukraine zu erhöhen, nichts zu tun.
„Als der Gaspreis bei 3.000 Dollar pro tausend Kubikmeter gelegen hat und Russland offensichtlich Europa hat frieren sehen wollen, hat Russland die Liefermengen reduziert“, analysiert der Monopolist. Nun lägen die Preise bei 500 bis 600 Dollar pro tausend Kubikmeter, die europäischen Gasspeicher seien gut gefüllt und der Winter gehe zu Ende. Gazprom müsse sehen, dass es sein Gas verkauft bekomme.
2022, so berichtet das ukrainische Portal ua.korrespondent.net, haben sich die Exporte von Gazprom in Nicht-GUS-Länder auf 100,9 Milliarden Kubikmeter Gas halbiert. Dies ist ein Negativrekord in der Geschichte des Unternehmens.
Gestoppt hat Russland derweil am Wochenende die Lieferungen von Erdöl über die Druschba-Pipeline nach Polen. Das wird als Reaktion auf ein neues Sanktionspaket der EU gewertet.
Mitarbeit: Stanislaw Kibalnyk, Charkiw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten