: „Gangsters“-Streetball mit der Polizei
■ Mit Präventionsräten wollen Neukölln und Friedrichshain Jugendgewalt vorbeugen. Das Gemeinschaftsgefühl der Kiezbewohner soll gestärkt werden
Die „United Gangsters“ sehen nicht gerade gefährlich aus. Die schlaksigen Blondschöpfe mit den unübersehbaren Knutschflecken am Hals tragen das Trikot mit dem Gangster-Schriftzug, – aber ein T-Shirt macht noch keinen Gangster. Beim Streetballturnier im Neuköllner Rollbergviertel treten sie gegen die „Turkish Brothers“ an. Doch bevor es losgeht, müssen die Jugendlichen erst noch die Körbe an die Ständer montieren – und abends wieder abschrauben, damit die Nachbarn nicht durch nächtliche Ballspiele um den Schlaf gebracht werden.
Die Anwohner haben auf das Treiben vor ihrer Haustür überwiegend positiv reagiert. Denn die tägliche Spielzeit ist ein Versuch, den Vandalismus im Wohngebiet in den Griff zu bekommen. Das Neuköllner Rollbergviertel ist eine 70er-Jahre-Siedlung, die zum sozialen Brennpunkt geworden ist. Die klassischen Bausünden haben dazu beigetragen, das Viertel zur Problemzone zu machen: Häßliche Betonpfeiler säumen lange Gänge, die Glasfassaden sind angeschmuddelt, etliche Fenster sind zerborsten. Der Brunnen mit den mannshohen Skulpturen dient als Pissoir.
Wer es sich leisten konnte, zog weg. Geblieben sind fast nur noch Sozialhilfeempfänger. „Ich möchte hier nicht wohnen, hier ist es häßlich und schmutzig“, sagt eine Frau zu ihren drei Kindern, als sie das Viertel durchquert. Die öffentlichen Straßen sind in Fußgängerzonen umgewandelt worden. Doch trotz Kinderspielplatz und Bänken wirkt das Gelände nicht einladend. Die begrünten Innenhöfe wurden vor zwei Jahren auf Bitte der Bewohner geschlossen, weil der Vandalismus überhandnahm.
Die täglichen Streetballturniere sind nur der Anfang. Ziel des Modellprojektes zur Verhütung von Jugendgewalt ist, in dem Wohnviertel nachbarschaftliche Strukturen aufzubauen. Eine frühere Gemeinschafts-Waschküche haben die Jugendlichen in ein Café umgewandelt. Hier gibt es Selters, Saft und Kaffee für eine Mark. Die Jugendlichen können Tischtennisschläger, Bälle oder Kartenspiele ausleihen. Ein handgeschriebenes Plakat weist auf die Fragebogenaktion hin, bei der BewohnerInnen zu Mängeln im Wohnumfeld befragt werden.
Heute abend wird im Café eine erste Bürgerversammlung stattfinden. Für Sozialarbeiter Magnus Relligmann, der im Auftrag des Bezirksamtes das Modellprojekt koordiniert, wäre es schon ein Erfolg, wenn sich einige Eltern fänden, die die Schirmherrschaft für die Basketballständer übernehmen. Auch nach den Sommerferien soll das Spielfeld zweimal wöchentlich geöffnet sein.
Die Pilotprojekte „Kiezorientierte Gewalt- und Kriminalitätsprävention“ in Neukölln und Friedrichshain wurden von der „Landeskommission Berlin gegen Gewalt“ angeregt. Der Neuköllner Präventionsrat hat Anfang April unter der Leitung von Bezirksbürgermeister Bodo Manegold (CDU) die Arbeit aufgenommen. Dem Gremium gehören die Stadträte für Jugend und Volksbildung an sowie das Jugendamt, Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft, die Frauenbeauftragte, ein Vertreter der Türkischen Gemeinde und Jugendprojekte.
Die Ferienaktion im Rollbergviertel läuft seit Ende Juni. Daß innerhalb von kürzester Zeit soviel in Gang gekommen ist, liegt auch an der Zusammenarbeit mit den freien Trägern vor Ort: der Mädchentreff und der Jugendkeller verfügten bereits über gute Kontakte zu den Jugendlichen. Denn der Grundgedanke ist, nichts Zusätzliches schaffen, sondern auf Vorhandenem aufzubauen.
Die Streetballständer hat die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land zur Verfügung gestellt, ebenso die Büroräume für eine Beratungsstelle. Hier werden demnächst mehrere Beratungsangebote unter einem Dach vereint: neben der Mieter- und Schuldnerberatung wird auch eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe anwesend sein. Eine weitere Beraterin soll bei der Suche nache einem Ausbildungsplatz oder Job helfen.
In Friedrichshain soll sich das Pilotprojekt zur Verhütung von Jugendgwalt auf das Gebiet nördlich und südlich der Boxhagener Straße konzentrieren. Für den Spätherbst ist eine Bürgerversammlung geplant. Auch in Wedding (siehe Kasten) wird sich Ende August ein „Sicherheitsbeirat“ konstituieren. Vielleicht macht dann eine Neuköllner Idee Schule, mal ein anderes Begegnungsfeld für Jugendliche und Polizei zu schaffen: bei zwei Streetballturnieren trat auch eine Polizeimannschaft an. Als eine Mannschaft aus dem Rollbergviertel gewann, war die Begeisterung groß. Die Polizei belegte nur den vierten Platz. Dorothee Winden
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