Game-Entwickler über Verschwörungsmythen: „Immer dasselbe Muster“
Torsten Fock-Herde entwickelt ein Videospiel, das über Verschwörungsideologien aufklären soll – indem die Spieler*in sich in sie hineindenkt.
taz: Herr Fock-Herde, Sie arbeiten an einem Computerspiel zur Unterwerfung der Welt. Um was genau geht es da?
Torsten Fock-Herde: Die Aufgabe bei „Reptrails“ ist, im Auftrag der sogenannten Neuen Weltordnung die Bevölkerung der gesamten Welt zu kontrollieren. Der ganze Spielmechanismus beruht auf Verschwörungstheorien. Während die Menschen am Anfang leicht zu beeinflussen sind, werden sich mit der Zeit immer mehr wehren – Wutbürger veranstalten Demos und Schwurbelpromis nutzen ihre Reichweite. Als Spieler kann man das bekämpfen, indem man Chemtrail-Flugzeuge startet, die Lügenpresse platziert, Handymasten aufstellt oder Geheimwaffen einsetzt.
Und was soll das Ganze?
Wir wollen Menschen ermächtigen, sich eine informierte Meinung zu bilden, und ihnen das Rüstzeug bieten, um in Diskussionen gegenzuhalten. Im Spiel gibt es deshalb immer wieder Infos über die verschiedenen Verschwörungstheorien wie QAnon oder Pizzagate, und über all diese Dinge wie Reptiloiden und Chemtrails. Wir binden über einen In-Game-Browser Factcheckingseiten wie Mimikama, Volksverpetzer, Hoaxilla, Psiram oder Belltower News ein. Die muss man als Spieler nicht lesen – aber wenn man gut performen will, muss man sich auskennen mit den Instrumenten, die einem zur Verfügung stehen. Chemtrails helfen vielleicht bei einer Wutbürger-Demo, nicht aber gegen Schwurbel-Promis – denen muss man schon mit der Lügenpresse auf den Leib rücken.
41 Jahre alt, ist seit 15 Jahren Game-Developer. Derzeit arbeitet er zusammen mit Tochter Jasmin am Spiel „Reptrails“ über Verschwörungsmythen.
Wie kamen Sie dazu, ein solches Spiel zu machen?
Ich bin rund um die Jahrtausendwende selbst ein bisschen abgerutscht in diese Szene. Ich war damals überzeugt: Die Illuminaten werden uns unterjochen, wir werden alle sterben, und dann kommt irgendwann der große Erlöser. Erst mit der Zeit ist mir aufgefallen, dass nahezu alle Verschwörungstheorien demselben Muster folgen: Es wird eine Bedrohung aufgebaut – eigentlich immer mit einem strukturell antisemitischen Touch – und dann kommt der Erlöser oder die Erlösung. Es ist schon faszinierend, dass diese einfachen Konstrukte seit Jahrhunderten so wirkungsvoll bei uns Menschen sind. Was kann man tun? Ich habe mir auf Facebook die Seele aus dem Leib kommentiert, genauso in persönlichen Gesprächen. Aber ich wollte das, was mich beschäftigt, mit dem verbinden, was ich kann – und das ist Spiele entwickeln. Also habe ich mich mit meiner Tochter an dieses Projekt gesetzt.
Und Sie glauben, mit so einem Videospiel überzeugt man Menschen, dass es doch keine „Neue Weltordnung“ gibt?
Nein. Wer so tief in diesen Welten drinsteckt, braucht mehr als ein Spiel. Wir wollen die unterstützen, die auch über die Bilder der Demo in Berlin erschrocken waren oder Verwandte haben, die so etwas reden und sich fragen: Was kann ich tun? Und wir wollen denen, die seit Jahren wichtige Aufklärungsarbeit machen, eine neue Zielgruppe eröffnen. Mit einem Spiel erreichen wir vielleicht Menschen, die sich sonst nicht auf Mimikama oder sonstwo über Verschwörungstheorien informieren würden. Unser Spiel ist nur ein weiterer Ansatz.
Besteht nicht die Gefahr, dass Sie am Ende ganz spielerisch Verschwörungstheorien reproduzieren, statt sie zu widerlegen?
Natürlich ist das Problem, dass man solchen Ideenwelten erst mal Raum geben muss, um sie zu dekonstruieren. Wir nehmen uns nicht bierernst, sondern überzeichnen das Ganze grotesk, damit die Leute sich am Ende nicht selbst irgendwelche Theorien zusammenbacken. Stattdessen wollen wir zeigen, wie krude diese Ideen sind – und dass es schon rein organisatorisch gar nicht möglich ist, eine so umfassende Weltverschwörung auf die Beine zu stellen. Wen man da alles bezahlen müsste…. Wir sind übrigens das offizielle Chemtrail-Programm der Bundesregierung: Für jeden gespendeten Beitrag in unserem Crowdfunding bekommen wir wegen unseres Bildungsanspruchs 25 Prozent vom Bund oben drauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn