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Galeria und Einzelhandel warnenAngst vor Weihnachtslockdown

Tote Innenstädte statt Festtagskaufrausch? Für den stationären Einzelhandel eine Horrorvorstellung. Online dagegen boomt.

Weihnachtseinkäufer auf der Frankfurter Zeil Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Düsseldorf/Berlin rtr/dpa/taz | Der größte deutsche Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof warnt vor einem schärferen Lockdown samt Ladenschließungen im für den Handel wichtigen Weihnachtsgeschäft. Das Geschäft um die Feiertage sei „für alle innerstädtischen Händler von existenzieller Bedeutung“, sagte ein Sprecher am Mittwoch. „Das gilt gerade jetzt, wo wir einen nie gesehenen Frequenzrückgang erleben“, fügte er hinzu. „Ein erneuter harter Lockdown des Handels, der nachweislich kein Pandemietreiber ist, würde ohne wirtschaftlichen Ausgleich für viele Händler fatale Folgen haben.“

Auch der Branchenverband HDE schlägt Alarm. „Offene Läden und die wirkungsvolle Bekämpfung der Pandemie sind kein Widerspruch, eine erneute Schließung vieler Geschäfte ist nicht notwendig“, hatte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth erklärt. Eine erneute Schließung von Geschäften abseits des Lebensmittelhandels würde für den „aufgrund der bisherigen Coronabeschränkungen bereits stark existenzgefährdeten innerstädtischen Handel fatale wirtschaftliche Folgen“ mit sich bringen.

„Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr ist neben der Woche vor Heiligabend die umsatzstärkste Zeit des Weihnachtsgeschäfts.“ Viele Händler fahren dem Verband zufolge im November und Dezember rund ein Viertel ihres Jahresumsatzes ein. Den Handel abseits des Geschäfts mit Lebensmitteln könnten erneute Ladenschließungen dem HDE zufolge bis zu eine Milliarde Euro Umsatz pro Tag kosten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Mittwochmorgen, sie halte es mit Blick auf Empfehlungen der Wissenschaft, die Kontakte angesichts hoher Zahlen von Corona-Erkrankungen drastisch zu senken, für richtig, die Geschäfte nach Weihnachten bis mindestens 10. Januar zu schließen.

Internethandel zieht stark an

Die Angst des stationären Handels ist nicht unbegründet, weil viele derzeit im Internet einkaufen. Die deutschen Online- und Versandhändler haben beim Start ins Weihnachtsgeschäft zwischen dem 1. Oktober und 29. November ihren Umsatz um 17,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert, teilte der Branchenverband bevh am Dienstag mit. Bei der Bekleidung gab es ein Plus von 20,5 Prozent.

Hersteller, die – ohne Zwischenhändler – direkt an Kunden verkauften, verzeichneten demnach ein Wachstum von 31,6 Prozent. Den größten Marktanteil der E-Commerce-Umsätze von 46,6 Prozent „vereinten im anlaufenden Weihnachtsgeschäft die vielen auf den Onlinemarktplätzen tätigen Händler auf sich“. Die Onlinemarktplätze insgesamt erzielten 22 Prozent Wachstum.

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4 Kommentare

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ich kauf eh nur online, mir egal.

  • ..und für den Onlinehandel sollte man einen "exklusiven" Mehrwertsteuersatz von 23% einführen. Einfach mal so. Wer ab und an beim Großen Fluß Socken für bisher 9,99% kauft, kann den Aufpreis von 34 Cent sicher verkraften.

    • @Bunte Kuh:

      JA! Online kauft man überwiegend Sachen, die auf Maslows Bedürfnispyramide ziemlich weit oben sind - nice to haves, die sicher in vielen Fällen kein rein überflüssiger Kinkerlitz sind, aber eben nicht überlebensnotwendig. (Da man die Ware aber nicht persönlich begutachten kann, ist der Anteil an völligem Schrott natürlich etwas höher als beim Ladenkauf)

      Es ist auch ökonomisch ganz gut begründbar, weil die Reinvestitionen und vmtl auch Personalausgaben des Onlinehandels niedriger und die Mehrwertabschöpfung bei gleichem Umsatz somit höher ist als beim ortsgebundenen Handel. Es handelt sich also um einen Wettbewerbsvorteil zu Lasten der Gesamtgesellschaft. Indirekt belastend - verfallende Infrastruktur, Belastung der Sozialkassen, höhere transportbedingte Treibhausgasemissionen - aber dennoch real.

      Wie dem auch sei; Leerstände in Einkaufsvierteln sind selten von langer Dauer. Ich bin gespannt, was diesmal für ein Geschäftstyp boomen wird. Bei der vorletzten Wirtschaftskrise waren es Ein-Euro- und Handy-Läden, aber das war nicht erwünscht weil es der Gentrifizierung im Weg steht; also waren es bei der letzten Wirtschaftskrise Lifestyle-Fressketten und Accessoire-Ramschläden, also im Prinzip der gleiche Schrott nur in hübsch und teuer. Sinnvolle Geschäfte mit Angebot für Jedermann*frau - Elektronik, Bücher, Spielwaren, Spartennahrungsmittel, Sportartikel etc - sind in den Innenstädten schon seit einem Vierteljahrhundert stark rückläufig. Nur Schuhe, Kleidung und Medikamente gehen noch ganz gut; bei Kleidung ist die Entwicklung vielleicht sogar positiv (mehr Vielfalt/Spezialhandel).



      Wie das halt so kommt, wenn "man" nicht mehr "einkaufen" gehen, sondern "shoppen".

  • Gerade die großen Kaufhäuser heulen...



    Verkauft die Immobilien und die Firmenaktien und teilt den Erlös unter den Mitarbeitern auf. Das werden sicher keine Traumprämien werden, aber wenigtens etwas.