piwik no script img

Gabi Delgado-Lopez ist totTu so, als wär's das letzte Mal

Gabi Delgado-Lopez war ein radikaler Künstler, ein Tänzer, Sänger und Dichter. Musik wie die seiner Band DAF hatte man zuvor noch nie gehört.

Gabi Delgado 2012 in Mannheim. Er sprach sein Publikum gern liebevoll als „Jungs und Mädchen“ an Foto: Imago/STAR-MEDIA DAF

Lange schwarze Wimpern umrahmen die Augen von Gabi Delgado-Lopez. Er blickt dem Betrachter ins Gesicht. Seine nackte Haut ist schweißnass. Man kann sich nur ausmalen, was er gerade gemacht hat. Hat er getanzt oder hat er sich geschlagen oder hatte er Sex?

Schön und jung und stark sehen Gabi Delgado-Lopez und Robert Görl auf dem schlichten Cover ihres Albums „Alles ist gut“ aus, aber auch melancholisch, verführerisch und verletzlich. Am Montag gab Robert Görl bekannt, dass sein Freund und Kollege Gabi Delgado in der Nacht zuvor gestorben ist.

„Alles ist gut“ erschien 1981. Solche Musik hatte man vorher noch nie gehört. Und viele, die sie hörten, waren nachher nicht mehr dieselben. Conny Plank hat dieses epochale Album produziert. Gabi Delgado-Lopez wusste, dass Deutsch Amerikanische Freundschaft damit Geschichte geschrieben haben. Er neigte nicht zu koketter Bescheidenheit und sagte, wie es ist: „Heute ist 80 Prozent der Musik, die in Clubs läuft, nach DAF-Regeln produziert. Es gibt keine Strophe und keinen Refrain. Was wir geschaffen haben in der Musik, das war, wie soll man sagen, von der Dampfmaschine zur Verbrennungsmaschine.“

Der Sound der Deutsch Amerikanischen Freundschaft war simpel und doch rhythmisch kompliziert. Robert Görl ist ein Jazzdrummer. Er programmierte auch die Sequenzen für den Korg-Synthesizer.

Sex und Elektronik, das ist es

Gabi Delgado-Lopez hatte sich das Cover von „Alles ist gut“ ausgedacht. Er war ein Künstler und Tänzer, ein Sänger und Dichter. Zu Görls Körpermusik schrieb er Texte, die meist aus nicht mehr als zehn Zeilen bestanden. In der Wiederholung beim Singen variierte er sie. „Als wär's das letzte Mal“ etwa ist schnell zitiert: „Drück' dich an mich / So fest wie du kannst / Küss' mich / Liebe, küsse mich / Küss mich, mein Liebling / Bitte tu so / Als wär's das letzte Mal / Gib mir / So viel, wie du kannst / Glaube mir / Ich liebe dich, mein Liebling / Gib mir deine Küsse.“

Es ging bei DAF oft um Sex. Delgado nannte es seine musikalische Initiation, als er in einer Schwulendisco zum ersten Mal Donna Summers „I feel Love“ hörte: „Da dachte ich, Sex und Elektronik, das ist es. Das ist es.“

Das „L“ intonierte Delgado in seinen Liedern mit Lust und Überschwang, so wie manche Schlagersänger der Dreißiger. Seine Vokale sang er mit einer dunklen Färbung. Er spielte mit historischen Referenzen, wenn er beim Vortrag von „Der Mussolini“ an den melodramatischen Duktus und die Vokalität Adolf Hitlers erinnerte.

DAF machten Musik für die Enkel der Kriegsgeneration und ihr größter Hit war ebendieser „Mussolini“. New-Wave-Kids in ganz Europa tanzten dazu in jeder Disco, in der man das Stück spielen durfte.

Im „Mussolini“ trieben DAF ihre Liebe zur Provokation auf die Spitze: „Geh in die Knie / Und klatsch in die Hände / Beweg deine Hüften / Und tanz den Mussolini / Tanz den Mussolini / Tanz den Mussolini / Dreh dich nach rechts / Und klatsch in die Hände / Und mach den Adolf Hitler.“ Eiin treibender Beat und Gesang. Irgendwann reimt sich Jesus Christus auf Kommunismus. Im Hintergrund Stimmen von Frauen, die klingen, als würden sie Zaubersprüche ausstoßen. Auf den Dancefloors sprangen damals alle wild durch die Luft und rempelten sich sachte dabei an.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

DAF – Der Räuber und der Prinz

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Natürlich mussten sich DAF den Faschismusvorwurf anhören. Aber weit skandalöser für die westdeutsche Gesellschaft der 1980er war, dass sie schwul, wie Stricher aussahen in ihren engen Lederklamotten. Ihr anderer Hit, „Der Räuber und der Prinz“, war ein schwules Märchen, das die Brüder Grimm hätten schreiben können, wären sie denn queer gewesen.

Seit fünfzehn Jahren lebte Gabi Delgado-Lopez wieder in Córdoba, wo er 1958 geboren wurde. Sein Vater, ein Philosophielehrer, hatte „unter abenteuerlichen Bedingungen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion“ aus dem frankistischen Spanien fliehen müssen. Gabis Mutter begleitete den Vater, einen linientreuen Kommunisten, nach Deutschland.

„Mein Vater war ein gebildeter Mensch, konnte aber kein Wort Deutsch, so hat er als Hilfsarbeiter bei den Kabelwerken Rheinshagen angefangen“, hat Delgado mir während eines Interviews erzählt, das vor zehn Jahren in der taz erschienen ist. Gabi wuchs bei seiner Großmutter auf. Acht Jahre alt war er, als er 1966 nach Deutschland kam. Erst nach Remscheid, dann zog die Familie nach Wuppertal. „Und als ich dann nach Deutschland geholt wurde, waren das mein Vater, meine Mutter, zwei Kinder, dann wurde das dritte geboren, in einem Zimmer. Mit Pisspott statt Toilette, also unter inframenschlichen Bedingungen.“

Er war radikal und politisch

Gabi Delgado-Lopez war ein radikaler Künstler und ein durch und durch politischer Mensch. Als Kind war er in der Antiimperialistischen Liga.

In unserem Gespräch, dessen Anlass unter anderem Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ war, sagte er: „Alle westlichen Länder haben eine historische Schuld gegenüber der Dritten Welt. Unser ganzer Reichtum basiert auf dem Elend der Dritten Welt. Ich bin ein ganz großer Gegner der Abschiebepraxis. Diese armen Menschen, die verhungern in ihren Ländern, die politisch verfolgt werden oder einfach nur Wirtschaftsflüchtlinge sind: Wir schulden diesen Leuten so viel, dass sie alle aufgenommen werden müssen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ohne DAF hätte ich nicht angefangen, schlagzeug zu spielen.



    danke dafür.

  • Ich habe ehrlich gesagt keinen Bezug zu dem Mann und zu DAF, aber durch das abschliessende Zitat ist er mir sympathisch geworden. Diese Wahrheit habe ich selten in so einfachen, klaren Worten gehört. Schön und traurig zugleich. Diese Wahrheit hört und liest man viel zu selten. Man könnte fast daran verzweifeln wie wenig sie gesehen und beachtet wird, obwohl sie so offensichtlich ist.



    Aber hier geht es ja um Gabi Delgado-Lopez. Muss ein Guter gewesen sein mit dieser Haltung. Respekt und gute Reise! Zieh' mir jetz gleich mal DAF rein und schliesse meine Bildungslücke.

  • Jetzt tanzt er den Jesus Christus, ruhe in Frieden und ein letztes Mal:

    www.youtube.com/watch?v=TuHYklrLkjU

  • Ein ganz großer der deutschen Musik. "Verschwende deine Jugend" war ein Song der mich geprägt hat.



    Mach's gut Gabi!