GROSSE KOALITION IN ISRAEL GARANTIERT WEITERE KÄMPFE IN PALÄSTINA: Akt der Ratlosigkeit
Als Ehud Barak im Frühjahr vergangenen Jahres Koalitionsverhandlungen führte und sich mit allen großen Parteien einigte, nur mit dem Likud nicht, schimpfte Ariel Scharon, dass Barak ihn lediglich als Druckmittel gegenüber den anderen Parteien missbrauche. Scharon hatte vermutlich Recht. Ein Zusammengehen mit der größten Oppositionspartei hätte Barak den Weg zu Verhandlungen mit Syrien verbaut und eine Einigung mit den Palästinensern definitiv ausgeschlossen.
An beiden Fronten wird sich auf absehbare Zeit nichts bewegen. Nicht zuletzt deshalb kündigte Barak ein „Time-out“ im Friedensprozess mit den Palästinensern an. Um mit Scharon zusammenzugehen, braucht Barak derzeit kaum politische Zugeständnisse zu machen. Umgekehrt hilft ihm jedoch der Oppositionsführer aus seiner misslichen Lage im Kabinett, wo schon mehr leere Stühle stehen als besetzte. Die Alternative Neuwahlen wäre für beide Männer derzeit nicht günstig. Alle Prognosen geben Ex-Premier Benjamin Netanjahu die größten Chancen auf einen Wahlgewinn. Scharon und Barak ziehen sich also gegenseitig aus der Patsche.
Für die Palästinenser ist der Einzug Scharons in Baraks Kabinett ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht. Mit dem Mann, der die Unruhen durch seinen Besuch auf dem Tempelberg provozierte, ist Verhandeln sicher nicht möglich. Als Folge werden nicht nur die Unruhen fortgesetzt werden. Palästinenserpräsident Jassir Arafat wird zudem bei der nächstmöglichen Gelegenheit den Staat ausrufen. Der 15. November wäre ein solcher Termin. Es ist der Jahrestag der palästinensischen Staatsdeklaration in Algier vor 12 Jahren.
Für Arafat gibt es kaum noch Gründe, die Staatsdeklaration erneut aufzuschieben. Im vergangenen Jahr tat er es, um das Ergebnis der unmittelbar bevorstehenden Wahlen in Israel nicht ungünstig zu beeinflussen, und im vergangenen September war er zu einem Aufschub bereit, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Die Amerikaner drohten stets, einer einseitigen Staatserklärung die Unterstützung zu versagen. Doch eine bilaterale Erklärung ist nicht abzusehen, und das palästinensische Volk ist ungeduldig. Mit Scharon in der Regierung wird Israel auf die Staatsdeklaration mit Härte reagieren. Geplant ist eine Trennung der Völker und damit das Abkoppeln der Palästinenser von ihrer wichtigsten Einnahmequelle. Not, vielleicht sogar Hunger wird die Gewaltbereitschaft der Menschen verstärken. Mit dem Einzug Scharons ins Jerusalemer Kabinett ist die Fortsetzung der Unruhen garantiert. SUSANNE KNAUL
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