GCHQ-Chef über Facebook und IS: Das Zentrum der Terrorkontrolle
Der neue britische Geheimdienstchef fordert, soziale Netzwerke stärker zu überwachen. Dabei haben Behörden schon jetzt massenhaft Zugriff.
Name: Robert Hannigan. Staatsangehörigkeit: Brite. Sein Ziel: Die digitale Totalüberwachung fördern. Rund eine Woche ist Robert Hannigan nun Chef des britischen Geheimdienstes. Um der Welt zu verkünden, wie die Geschäfte in seiner Amtszeit laufen sollen, schreibt er einen Gastbeitrag in der Financial Times, in dem er fordert, die Privatwirtschaft müsse den Geheimdiensten helfen, um Terroristen wie den IS zu bekämpfen.
Seit 2010 war Hannigan Direktor der Bereiche Verteidigung und Nachrichtendienste des britischen Außenministeriums. Jetzt ist er Boss von mehr als 6.000 Mitarbeitern beim „Government Communications Headquarters“ (GCHQ). Der GCHQ ist Teil der Five Eyes – dem Zusammenschluss der Geheimdienste von den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Großbritannien, deren Arbeitsweise die von Edward Snowden veröffentlichten Dokumente aufzeigen.
Hannigans Vorgänger Iain Lobban räumte den Platz im Herbst. Dies war aber keinesfalls eine Konsequenz der zahlreichen Snowden Enthüllungen, betonte der Sprecher des britischen Außenministeriums bei der Rücktrittsverkündung im Januar, sondern natürlich schon lange geplant. So passt es, dass auch sein Nachfolger keine Rückschlüsse aus den Snowden-Enthüllungen zieht.
Im Gegenteil: Der Geheimdienstchef findet, dass die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten einen Grund liefern, jetzt erst recht die Bevölkerung zu überwachen. Denn das Recht auf Privatsphäre sei nie ein absolutes gewesen, schriebt er. In dem Gastbeitrag erklärt er, Soziale Netzwerke seien „das bevorzugte Kommando- und Kontrollzentrum von Terroristen."
Das Vertrauen der Nutzer
Denn die Terroristen nutzen Social Media nicht nur, um ihre Propaganda zu verbreiten, sondern auch zur Kommunikation. Zudem streut er verschwörungstheoretisch anmutende Thesen wie: „Wer gegen die erschütternden Auswüchse menschlichen Verhaltens im Internet vorgeht, kann manchmal den Eindruck bekommen, dass eigene Technologieunternehmen ihre eigene Instrumentalisierung leugnen“.
Auch wenn er keine Namen nennt, meint er die großen Player Facebook, Apple und Google. Apple und Google haben mittlerweile angekündigt, ihre Systeme stärker zu verschlüsseln. Telekommunikations- und Bewegungsdaten sind davon nicht betroffen. //www.apple.com/privacy/:Diesen Schritt begründet Tim Cook von Apple mit „einem tiefen Respekt vor den Kunden“. Doch Hannigan meint, die User besser zu kennen: „Die meisten Internetnutzer könnten mit einer besseren und nachhaltigeren Zusammenarbeit der Technologiefirmen und der Geheimdienste gut leben.“
Einen Schuldigen liefert der Geheimdienstchef natürlich auch mit – Edward Snowden. „Es gibt keinen Zweifel“, schreibt Hannigan, „dass junge ausländische Kämpfer aus den Enthüllungen seit 2013 gelernt haben." Und um all diese Terroristen auch im Internet zu bekämpfen, appelliert er an die Tech-Unternehmen, mit den Geheimdiensten zu kooperieren.
Mit dieser Forderung steht er nicht alleine. Ministerpräsident David Cameron teilt Hannigans Ansichten und sieht die „Notwendigkeit, mehr zu tun“. Auch FBI-Chef James Comey kritisierte die Konzerne Apple und Google wegen ihrer Pläne, mehr Datenschutz zu gewährleisten. Und BND-Chef Gerhard Schindler nennt es „unerlässlich“, gegen den IS die internationalen Kooperationen der Geheimdienste ausbauen. Zusammengefasst: Die Bevölkerung soll ihre Privatsphäre gegen Sicherheit eintauschen.
Strafen und Zwang
Was Hannigan natürlich nicht erwähnt: Schon jetzt greifen die Regierungen massenhaft auf Nutzerkonten in den Sozialen Netzwerken zu. Im ersten Halbjahr 2014 erhielt Facebook 34.946 Anfragen von Behörden. Das sind 24 Prozent mehr als vergangenes Jahr im selben Zeitraum. //govtrequests.facebook.com/country/Germany/2014-H1/:In Deutschland forderten die Behörden mit 2.537 Anfragen Einblick in 3.078 Konten – zur „Kriminalitätsbekämpfung“.
Zudem hat die Regierung Mittel, Unternehmen durch hohe Geldstrafen zu zwingen, Nutzerdaten zu veröffentlichen. So können sich Geheimdienste den Zugang vor Geheimgerichten wie dem FISC einklagen und anschließend ein Redeverbot darüber erteilten. So passiert beispielsweise im Fall von Yahoo im Jahr 2008. Die US-Regierung zwang die Firma dazu, beim Spähprogramm Prism mitzumachen, oder eine tägliche Geldstrafe von 250.000 Dollar zu zahlen.
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