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G20-Prozess in HamburgSchöffe mit eigener Mission

Ein Schöffe im Rondenbarg-Prozess hat sich über einen Fernsehbericht beim NDR beschwert. Der war ihm zu kritisch gegenüber der Polizei.

Schöffengericht im Prozess gegen G20-Gegner: unvoreingenommen? Foto: Georg Wendt/dpa

Hamburg taz | Wenn am heutigen Donnerstag mit dem 17. Verhandlungstag der sogenannte Rondenbarg-Prozess gegen G20-Demonstrant:innen fortgesetzt wird, richtet sich der Blick zunächst auf einen der beiden ­Schöf­f:i­n­­nen der Großen Strafkammer. Und auf die Vorsitzende Richterin.

Denn gegen beide haben die Verteidiger der Angeklagten Befangenheitsanträge gestellt wegen eines Vorgangs, der insbesondere die Unvoreingenommenheit des Schöffen beträchtlich in Zweifel zieht: Er soll sich aus Wut über einen Fernsehbericht nach dem vergangenen Verhandlungstag beim NDR beschwert haben, weil ihm dieser zu kritisch gegenüber der Polizei ausgefallen sei. Auch die Richterin soll in der Folge versucht haben, dessen Einschätzung „inhaltlich unterstützend auszulegen“, kritisiert Verteidiger Sven Richwin.

Die Staatsanwaltschaft hatte in diesem Verfahren ursprünglich sechs Teil­neh­me­r:in­nen des Protests gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg angeklagt. Sie wirft ihnen besonders schweren Landfriedensbruch, tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte, versuchte gefährliche Körperverletzung, Bildung einer bewaffneten Gruppe und Sachbeschädigung vor. Mittlerweile stehen nur noch zwei Angeklagte vor Gericht.

Im Mittelpunkt des Prozesses stehen die Ereignisse am Rondenbarg im Hamburger Westen. Dort kam es während des Gipfels am frühen Morgen zu Auseinandersetzungen zwischen rund 200 De­mons­tran­t:in­nen und der Polizei. De­mons­tran­t:in­nen warfen Steine und Böller in Richtung der Wasserwerfer, daraufhin schlugen Po­li­zis­t:in­nen mit Knüppeln und Fäusten auf die Menge ein und drängten sie zusammen. In Panik versuchten De­mons­tran­t:in­nen über eine Brüstung zu fliehen, die zusammenbrach: Es gab viele Verletzte, mehr als ein Dutzend davon schwer.

Schöffe beschwert sich beim NDR

Am vergangenen Verhandlungstag sagte deshalb der damalige Einsatzleiter der Polizei als Zeuge aus, worüber der NDR anschließend im „Hamburg Journal“ berichtete. In dem Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass Not­fall­me­di­zi­ne­r:in­nen G20-Gegner:innen versorgen mussten, die „von Polizisten bei der Festnahme verletzt worden waren“. Da die De­mons­tran­t:in­nen von zwei Seiten von der Polizei eingekesselt waren, hätten sie „keine Chance“ gehabt, „zu entkommen“. Der Beitrag schließt damit, dass die Staatsanwaltschaft in der Folge insgesamt 70 Anklagen gegen De­mons­tran­t:in­nen erhoben hatte, aber keine gegen Polizist:innen.

Das brachte den Schöffen so in Rage, dass er sich daraufhin beim NDR beschwerte. „In einem wutbürgerlichen Tonfall“, betont Richwin, sei es dem Schöffen darum gegangen, die Polizei in Schutz zu nehmen. In einer zweiten Mail habe er seiner Kritik noch Nachdruck verliehen. „Das löst bei den Angeklagten verständlicherweise Besorgnis aus“, sagt Richwin.

Schließlich müssen Schöf­f:in­nen ihr Amt unvoreingenommen, neutral und ohne Vorurteile ausüben. „In ihrem äußeren Verhalten müssen Schöffen alles vermeiden, was geeignet sein könnte, bei anderen Personen Zweifel an ihrer Unparteilichkeit zu erwecken“, heißt es in einem von der Stadt Hamburg veröffentlichten Merkblatt, das den Ehrenamtlichen als Hilfestellung dienen soll. Schließlich sind sie in ihren Rechten den Be­rufs­rich­te­r:in­nen grundsätzlich gleichgestellt, unterliegen aber ebenso dem Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot.

Weil der Schöffe also während des laufenden Prozesses und vor Abschluss der Beweisaufnahme versucht hat, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, hält ihn die Verteidigung für befangen. „Er hat sich seine Meinung schon gebildet“, sagt Richwin. Und die Vorsitzende Richterin habe das auch getan. Sie wurde später über die Beschwerde des Schöffen informiert, kritisierte zwar sein Verhalten, ließ sich dann aber auch „inhaltlich auf die Diskussion ein und nahm den Schöffen in Schutz“, sagt Richwin. Deshalb liege nun auch gegen sie ein Befangenheitsantrag vor.

Fortlaufende Debatte um Polizeigewalt

Die Verteidigung der beiden Angeklagten hält das ganze Verfahren ohnehin für politisch motiviert. Von den Vorwürfen ist nur noch der des Landfriedensbruchs übrig geblieben. Sollten die beiden Angeklagten, die nachweislich selbst keine Gewalt ausgeübt haben, dafür bestraft werden, wäre das ein Novum in der Rechtsprechung. „Und die Äußerungen des Schöffen und der Richterin reihen sich ein in den politischen Streit, ob es während des G20-Gipfels Polizeigewalt gegeben hat“, sagt Richwin.

Parallel zum laufenden Verfahren muss über die Anträge nun eine andere Kammer am Hamburger Landgericht entscheiden, teilt Gerichtssprecherin Marayke Frantzen mit. Sollte die Richterin tatsächlich befangen sein, wäre der Prozess geplatzt. Für den Schöffen ist, wie in solchen Verfahren üblich, bereits ein Ergänzungsschöffe bestellt, der dann nahtlos einspringen würde.

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2 Kommentare

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  • Wir können also durchaus Schöffe spielen, wenn wir die Nerven bewahren und so tun als wären wir ein unabhängig urteilender Bürger? Daher wohl auch der Spruch, "auf offener See und vor Gericht ..."



    Schön das der Schöffe und die Richterin sich, wegen zu dünnem Nervengerüst geoutet haben.



    Vielleicht hilft das den Prozess einzustellen, oder für die Angeklagten zu beenden.

  • Das Verfahren wird immer interessanter