G-8-Gipfel in Toronto: Enttäuschung über neue Hilfszusagen
Kanada prescht mit Hilfszusagen zur Reduzierung der Kinder- und Müttersterblichkeit voran – doch die übrigen G-8-Staaten ziehen nicht mit. Deutschland zeigt sich besonders geizig.
TORONTO taz | Es sollte das große Projekt der kanadischen G-8-Gastgeber sein, das von diesem Gipfeltreffen aus einen bleibenden Unterschied macht: Mit der nach der Austragungsregion benannten Muskoka-Initiative sollte die Mütter- und Säuglingssterblichkeit deutlich reduziert werden.
Im Rahmen der so genannten Millennium-Entwicklungsziele hatte sich die Weltgemeinschaft vorgenommen, bis zum Jahr 2015 die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren um zwei Drittel und die von Müttern um drei Viertel zu verringern; dafür sind nach Schätzung der Vereinten Nationen in den nächsten Jahren rund 30 Milliarden Dollar zusätzliche Mittel notwendig, von denen die G-8-Staaten gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung 24 Milliarden übernhemen müssten.
Um die Initiative in Fahrt zu bringen, kündigte Kanadas Ministerpräsident Steven Harper eine an der Größe des Landes gemessen ordentlichen Beitrag an: 1,1 Millarden Dollar an zusätzlichen Entwicklungshilfegeldern will das Land in den nächsten Jahren bereitstellen. Und er drängte die anderen offensiv dazu, es ihm gleichzutun: "Wenn nicht die Länder mit den meisten Mitteln sich den dringendsten Fragen des Globus zuwenden, wer soll es sonst tun", fragte Harper. In Agenturmeldungen wurde bereits über eine Gesamtsumme der G-8-Staaten von 10 Milliarden Euro spekuliert, was immerhin knapp die Hälfte der nötigen Gelder gewesen wären.
Doch die Hoffnung wurde enttäuscht. Ganze fünf Milliarden US-Dollar wollen die G-8-Staaten insgesamt bereitstellen, teilte Harper am Freitagabend (Ortszeit) im abgeschirmten Ferienort Huntsville nördlich von Toronto mit. Neben den 1,1, Milliarden von Kanada stammen weitere 1,3 Milliarden Dollar von den USA. Die Beiträge der übrigen Länder wurden zunächst nicht aufgeschlüsselt. Aus deutschen Delegationskreisen verlautete am Samstag, dass sich die Bundesregierung über die nächsten vier Jahre mit insgesamt 500 Millionen Euro beteiligen will – was im Vergleich zu anderen Staaten deutlich weniger wäre als der deutschen Wirtschaftskraft entspricht. Zudem soll nur ein Teil der Gelder zusätzlich bereitgestellt werden – wieviel blieb zunächst unklar. Der Rest wird im Entwicklungshilfehaushalt lediglich umgeschichtet.
Entwicklungspolitische Organisationen reagierten mit großer Enttäuschung auf die Ankündigung. „Dass Mütter- und Kindersterblichkeit hier thematisiert werden, ist wichtig“, sagte Marwin Meier von World Vision. „Aber das Geld wird hinten und vorne nicht reichen.“ Tobias Kahler von der Organisation One kritisierte die Zurückhaltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Deutschland hat nur 25 Prozent seiner G-8-Afrika-Zusagen von 2005 eingehalten, die in diesem Jahr fällig sind“, sagte er. „Beim kanadischen G8-Gipfel wurde heute von Deutschland eine Möglichkeit verspielt, verlorene Glaubwürdigkeit und Ansehen zurückzugewinnen.“
Doch an die gebrochenen Zusagen der Vergangenheit wollen die G-8-Staatschefs ohnehin nicht gern erinnert werden. Von den im Jahr 2005 unter großem Jubel bis 2010 versprochenen 50 Milliarden Euro zur Armutsbekämpfung sind bis heute nur 30 Milliarden tatsächlich geflossen. Anders als in den Vorjahren soll in der Abschlusserklärung offenbar gar nicht mehr an dieses Versprechen erinnert werden. Auch das sorgt für Ärger. „Jedes Jahr zaubern die G8 eine neue Initiative hervor“, sagte Jörg Kalinski von Oxfam. „Aber wenn die Entwicklungshilfe insgesamt nicht steigt, wird dabei nur Geld innerhalb der Budgets hin- und hergeschoben.“
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