G-8-Gipfel in Kanada: Merkel ohne Erfolg
Ob Bankenabgabe oder Finanztransaktionssteuer. Angela Merkel kann sich nicht durchsetzen. Jetzt muss eine EU-Lösung her, denn die Gelder sind schon im Sparpaket eingerechnet.
HUNTSVILLE apn | Nach dem G-8-Gipfel kann Angela Merkel schöne Fotos vom Treffen der Staats- und Regierungschefs in der kanadischen Idylle vorweisen, aber kaum greifbare Erfolge. Für ihr zentrales Anliegen, die Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten künftiger Krisen, fand die Kanzlerin unter den führenden Wirtschaftsnationen nur wenig Zustimmung.
Schon vor dem anschließenden G-20-Gipfel zog die CDU-Chefin daher ernüchtert die Zwischenbilanz, eine globale Bankenabgabe habe kaum Chancen auf schnelle Verwirklichung. Das Fazit ist umso frustrierender, als Merkel in dieser Frage immerhin Großbritannien und Frankreich als Mitstreiter hat. Nun werden London, Paris und Berlin die Bankenabgabe jeweils national im Alleingang einführen. In Deutschland ist geplant, dass die Geldhäuser ab 2011 jährlich 1 bis 1,2 Milliarden Euro in einen neuen Stabilitätsfonds einzahlen.
Noch schlechter sieht es für die Forderung Merkels nach einer globalen Finanztransaktionsteuer aus. Dagegen opponierten in Kanada nicht nur die Angelsachsen, die ihre starke Finanzindustrie schützen wollen, sondern auch viele Schwellenländer. Die aufstrebenden Staaten wollen sich die Hoffnung auf eine dynamische Entwicklung ihrer Finanzsektoren nicht verbauen.
Differenzen über Wachstumsstrategie
Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy wollen nun in Europa für eine solche Steuer auf Geldgeschäfte werben - entweder auf EU-Ebene oder aber nur innerhalb der Euro-Zone, sollte London sich querstellen. Die Kanzlerin steht dabei unter Druck, weil sie die Einnahmen aus einer Finanztransaktionsteuer schon vorauseilend im Sparpaket ihrer Regierung eingeplant hat: Ab 2012 sollen dem Fiskus immerhin jährlich zwei Milliarden Euro zufließen.
Auch im Streit mit den USA über die richtige Wachstumsstrategie kann sich Merkel nicht als strahlende Siegerin fühlen. Den Zwist mit den USA, die den deutschen Sparkurs als wachstumshemmend gerügt hatten, erklärte sie zwar offiziell für beendet. Aber die Differenzen, die aus verschiedenen ökonomischen Denkschulen herrühren, bestehen fort.
Nach den kontroversen wirtschaftspolitischen Diskussionen widmeten sich die Staats- und Regierungschefs am zweiten Tag ihres Gipfeltreffens den internationalen Konfliktherden. Auch hier war in zentralen Punkten kein breiter Konsens in Sicht: Sowohl die USA als auch die europäischen Staaten dürften auf härtere Sanktionen gegen Teheran dringen, doch China und Russland stehen neuen Strafmaßnahmen des UN-Sicherheitsrates skeptisch gegenüber. Auf der Agenda standen zudem Gespräche über den Atomstreit mit Nordkorea und dem Iran.
Geld für Mütter und Kinder greifbarer G-8-Erfolg
Als greifbarer Gipfel-Erfolg bleibt die entwicklungspolitische Muskoka-Initiative der kanadischen G-8-Präsidentschaft. Die Staaten sagten eine Summe von fünf Milliarden Dollar über fünf Jahre zu, um die Sterblichkeit von Kindern und Müttern in Entwicklungsländern zu reduzieren. Die Vereinten Nationen haben das Ziel ausgerufen, unter anderem die Kindersterblichkeit bis 2015 um zwei Drittel zu senken. Pro Jahr sterben weltweit rund neun Millionen Kinder unter fünf Jahren, bloß weil ihnen medizinische Versorgung fehlt.
Als persönliche Genugtuung blieb Merkel, die auch innenpolitisch weiter stark unter Druck steht, immerhin die Hoffnung auf König Fußball, der auf dem Gelände des Hotelkomplexes "Deerhurst Resort" in der Ferienregion Muskoka ohnehin eines der Topthemen war. Sollte die Nationalelf von Bundestrainer Joachim Löw im Duell gegen Großbritannien siegen und im Turnier bleiben, könnte sich Deutschland wenigstens in dieser Hinsicht als Sieger fühlen.
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