Fußballverbot für Rechtsextremisten: Rechtsaußen vom Platz gestellt
Der Fußballverband von Sachsen-Anhalt schließt Eintracht Gladau vom Spielbetrieb aus. Rechtsextremisten haben den Verein in Sachsen-Anhalt übernommen.
Wegen „rechtsextremer Unterwanderung und Gewaltvorfällen“ hat der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) am Mittwoch den Kreisoberligisten Eintracht Gladau ausgeschlossen. „Es besteht ein Rechtsrisiko“, räumt der FSA-Präsident Holger Stahlknecht ein. Er geht davon aus, dass sich der Verein juristisch wehren wird, aber: „Wenn dem Gericht unsere Begründung nicht ausreicht, müssen wir darüber reden, wie man sich in einer wehrhaften Demokratie denn gegen rechtsextremistische Kräfte wehren soll.“
Stahlknecht, der zehn Jahre CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt war, spricht von einem klaren Zeichen, das man gesetzt habe. Ein 32-seitiges Dokument hat der FSA am Mittwoch verbreitet, das auf der Recherche des Landessportbundes (LSB) fußt. Aber die Initiative zum Ausschluss, betont Stahlknecht, reklamiere er für sich.
Die letzte größere Aufregung um den Verein gab es vor sieben Jahren. Damals nahm Eintracht Gladau Dennis Wesemann auf, der zuvor bundesweit für Schlagzeilen sorgte, weil er mit mehreren von auch dem Verfassungsschutz bekannten Rechtsextremisten den FC Ostelbien Dornburg gegründet hatte. Wesemann, einst Mitglied der rechtsextremen Magdeburger Hooliganvereinigung „Blue White Street Elite“, vertreibt Kleider mit gewaltverherrlichenden Motiven. Auch Baseballschläger mit der Aufschrift „Zahnfee“ kann man bei ihm bestellen.
Der FC Ostelbien verbreitete in seinem Umkreis eine Atmosphäre der Angst. Ausländische Spieler wurden drangsaliert, es kam zu Gewaltvorfällen, Schiedsrichter traten in den Streik. Der Verein wurde vom Fußballverband und Landessportbund ausgeschlossen. Das Landgericht Magdeburg wies eine Klage vom FC Ostelbien zurück. Fast das Gleiche hat sich nun beim DSC Eintracht Gladau wiederholt. Stahlknecht sagt: „Der Verein hat geglaubt, Wesemann integrieren zu können. Er ist einem großen Irrtum aufgesessen.“
Vereinsputsch durch Wesemann
Über die Jahre wechselten im hohen einstelligen Bereich, wie ein Insider berichtet, Spieler vom verbotenen FC Ostelbien zu Gladau. Und deren Spiele wurden zunehmend zum Treff der rechtsextremen Szene. Gerade in den letzten Monaten ist einiges geschehen. Im Juni kam es zu einem Vereinsputsch. Der alte Vorstand wurde abgewählt, Dennis Wesemann und seine Kameraden übernahmen. Das Vereinswappen wurde mit neuen Farben designt. Schwarz-weiß-rot wie die Reichsflagge und mit Zahlen in altdeutscher Optik.
Bei einem vereinsinternen Spiel, das eher nicht zufällig 8:8 endete, sollen laut Augenzeugenberichten Zuschauer Hitlergrüße gezeigt und Pyros gezündet haben. Vom zuständigen Fußballkreisverband soll ein Präsidiumsmitglied als Linienrichter ausgeholfen haben. Das Geschehene behielt er für sich. Auf der untersten Organisationsebene des Fußballs scheint es in Sachsen-Anhalt ein Problem zu geben. FSA-Präsident Stahlknecht sagt dazu: „Wir müssen Individualgespräche führen.“
Der LSB prüft nun auch ein Ausschlussverfahren. Das institutionelle Procedere dafür ist nur komplizierter als beim FSA. Die Gefahr, dass sich Wesemann und Co erneut einen Verein kapern, bliebe aber bestehen. LSB-Präsidentin Silke Renk-Lange sagt: „Wir können nicht verhindern, dass sie sich wieder auf den Weg machen.“ Sie plädiert dafür, Ehrenamtliche im Breitensport besser zu qualifizieren, um sie für ihre schwierigen Aufgaben besser zu wappnen. Ansonsten drohe die Gefahr, dass sich niemand mehr für solche Ämter zur Verfügung stelle. Sie erinnert auch an die Atmosphäre der Angst in Gladau.
Bedroht haben sich in den letzten Jahren auch die gegnerischen Teams der Eintracht Gladau gefühlt. In dem FSA-Dokument ist ein Schreiben eines Vereins enthalten, der im September um polizeiliche Begleitung vor der Begegnung mit Gladau bat. Dort heißt es: „Leider traut sich niemand etwas zu unternehmen. Die Schiedsrichter, der Kreisfußballverband Jerichower Land und die Vereinsangehörigen haben Angst vor den potenziellen Konsequenzen, die ihnen durch Spieler und Angehörige der DSG Eintracht Gladau blühen. Eine namentliche Nennung schließen die Geschädigten aus, da sie eben zu viel Angst davor haben, nächtliche ungebetene Besuche zu erhalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“