Fußballtrainerin über Macht: „Die Spieler respektieren mich“
Patrizia Panico ist die erste Trainerin eines männlichen Juniorenauswahlteams in Italien. Sie erklärt, warum Frauen für den Männerbereich wichtig sind.
taz: Frau Panico, Sie trainieren als erste Frau eine männliche italienische Juniorenauswahl, die U15. Wie kam es dazu?
Patrizia Panico: Ich war schon beim U16-Nationalteam Assistenztrainerin von Chefcoach Daniele Zoratto [früherer Spieler unter Arrigo Sacchi, Anm. d. Red.] tätig. Auf der Bank habe ich zum ersten Mal gesessen, als ich ihn bei einem Freundschaftsspiel gegen Deutschland vertreten musste.
Später habe ich mit dem Koordinator aller italienischen Jugendnationalmannschaften, Maurizio Viscidi, über meine Zukunft gesprochen, und wir haben beschlossen, dass ich Trainerin der U15 werde. Wir haben das als die normale Weiterentwicklung meines Werdegangs gesehen.
Alle Ihre Assistenten sind Männer. Wie fühlt es sich als einzige Frau an?
Daran habe ich mich bereits gewöhnt. Mir ist es nur wichtig, dass sich unter den Stab-Mitgliedern die richtige Synergie ergibt, um erfolgreich zusammenarbeiten zu können. Als Spielerin habe ich entweder unter gemischten oder männlichen Stäben gearbeitet, niemals unter einem ganz weiblichen.
Meiner Meinung nach haben Frauen und Männer verschiedene Perspektiven, doch unvereinbar sind sie nicht. Gespräch und Meinungsaustausch halte ich für möglich und sehr produktiv. Im Übrigen: Wenn man mit intelligenten Menschen zu tun hat, versteht man sich schnell und gut.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den Spielern?
Aus meiner Sicht ist das sehr gut. Die Spieler respektieren mich. Mir gefällt es, sie spüren zu lassen, dass ich für sie da bin und ihnen helfen kann, ihren Traum zu verwirklichen.
Sie trainiert seit August 2018 die italienische U15-Auswahl, zudem ist sie Rekordtorschützin des italienischen Nationalteams.
Und wie reagieren die gegnerischen Kollegen?
Sagen wir so: Ich hatte den Eindruck, dass viele es nicht ertragen können, gegen eine Frau zu verlieren …
Hatten Sie irgendein Autoritätsproblem?
Niemals. Ich brauche nicht einmal lauter zu sprechen, damit die Spieler mir zuhören. Sie erkennen die Autorität des Trainers, unabhängig davon, ob es ein Mann oder eine Frau ist. Außerdem kommen die U15-Spieler aus Profiklubs und wissen, welche Regeln man in einer Gruppe beachten muss.
Sind Sie besonders streng?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe Macht, ohne autoritär zu sein. Das brauche ich nicht.
Denken Sie, dass es für die jungen Spieler von Bedeutung ist, eine Frau vor sich zu haben?
Ich halte es für eine Bereicherung. In der Schule sind die meisten ihrer Lehrer Frauen. Doch die Schule wird normalerweise als Pflicht betrachtet, Fußball hingegen als eine Leidenschaft. Die Tatsache, dass sie durch die Trainerin mit einer Frau ihre Leidenschaft teilen können, finde ich aus pädagogischer Sicht wesentlich. Sie lernen, dass man mit Frauen auch über Fußball sprechen kann.
Werden die Frauen im Fußball endlich ernster genommen?
Ich glaube, da müssen noch viele Vorurteile abgebaut werden. Im Vergleich zu anderen Gesellschaftsbereichen ist der Fußball beträchtlich in Rückstand. Es gibt zwar Firmen, die von Frauen geleitet werden, aber keine einzige Frau, die in der italienischen Serie A, B oder C tätig ist. Ich beziehe mich nicht nur auf die Trainer, sondern auch auf die Ärzte, die Physiotherapeuten und die technischen Assistenten. Meines Erachtens schaden sich die Vereine selbst, wenn sie Frauen ausschließen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Stört es Sie, wenn eine Mannschaft als „weiblich“ bezeichnet wird?
Das finde ich vor allem banal. Kampfgeist hat mit dem Geschlecht nichts zu tun. Leider sind solche Ausdrücke in der Sprache verwurzelt, man sollte sie bewusst meiden. Beispielweise sage ich nie meinen Spielern „Eier zeigen!“. Ich fordere sie auf, mit Persönlichkeit zu spielen.
Nennen Sie Ihre Spieler „Mister“?
Ja! Niemand will mir das glauben, wenn ich es erzähle. Ich bin mir bewusst, dass es komisch klingt, aber die Spieler sind daran gewöhnt und ich störe mich nicht daran. Eine Bemerkung ist mir zum Abschluss noch wichtig.
Bitte.
Ich gratuliere meiner Kollegin Inka Grings, die den Trainerjob beim SV Straelen aufgenommen hat. Ich erinnere mich noch genau an sie, weil wir mit unseren Nationalteams oft gegeneinander gespielt haben. Als Spielerin hatte sie große Qualitäten, aber vor allem eine starke Persönlichkeit. Deswegen bin ich mir sicher, dass sie eine hervorragende Arbeit machen wird. Diese Chance hat sie sich völlig verdient und ich wünsche ihr alles Beste.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“