Fußballprofis gegen Homophobie: Kleine Schönheitsfehler
Über 800 Fußballprofis unterstützen eine Kampagne eines Fußballmagazins gegen Homophobie. Toll. Es wird Zeit, dass sie selbst Initiative ergreifen.
D er Fußball ist doch noch zu Gutem fähig. Das ist die Nachricht der Woche. Reichlich Ansehen hatte man zuletzt verspielt. Erst wurde mit Beginn der Pandemie Demut vorgeheuchelt, um dann in privilegierter Lage alle Freiheiten auszuschöpfen und den Ausbau der Begünstigungen weiter voranzutreiben.
Der FC Bayern ist dabei mal wieder Spitzenreiter. Stichwort exklusive Nachtflugrechte und Impfvorzugsrechte. So dunkel ist es schon lange nicht mehr um den Fußball bestellt gewesen. Und dann die Aufhellung. Diese Woche haben mehr als 800 deutsche Fußballer und Fußballerinnen homosexuellen Spielern im Falle eines Coming Out zugesichert: „Ihr könnt auf uns zählen.“ Eine Solidaritätserklärung, die Unterstützung im Falle von Anfeindungen verspricht. Eine tolle Idee.
Getragen ist sie von der Überzeugung, dass die Ängste vor einem solchen Schritt nicht mehr zeitgemäß sind. Dass die Zeit für die ersten Coming-Outs von Fußballprofis gekommen ist. Dass die Einstellungen unter den Fußballfans, Vereinen und Profis sich in großer Zahl gewandelt haben. Mit der Kampagne wird dieser Eindruck mit über 800 Gesichtern verbunden. Das, was vielleicht bislang schwammig wahrgenommen wurde, nimmt Gestalt an.
Ein paar Schönheitsfehler dieser Aktion dürfen aber nicht unerwähnt bleiben, weil sie ein Stück weit auch den Stillstand in dieser Angelegenheit erklären. Schöner wäre es nämlich gewesen, wenn der Beifall und die Anerkennung für diese Kampagne allein den Fußballern als deren Urheber gegolten hätte. In diesem Fall aber gingen die Dankesbekundungen (unter anderem auch vom DFB) vor allem an das Fußballmagazin 11 Freunde. Journalisten hatten nämlich die Erklärung verfasst, der sich dann so zahlreiche Profis angeschlossen haben.
Weniger starke Kollektivbekenntnisse
Stark wirken in der Unterschriftenliste des Aufrufs vor allem die individuellen Unterschriften, wenn etwa Bakery Jatta oder Max Kruse mit ihrem Namen Unterstützung zusagen. Weniger stark wirken Kollektivbekenntnisse, wenn etwa Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke paternalistisch im Namen von 850 Mitarbeitern unterzeichnet. Vermutlich eine Empfehlung der Unternehmensabteilung Corporate Social Responsibility. Das hat in etwa die Überzeugungskraft der Respect-Kampagnen, mit der die Uefa ihr Image poliert.
Wichtig ist noch ein anderer Aspekt. Manche Klubs haben eine Beteiligung an der Kampagne abgelehnt, wie die 11 Freunde berichten, weil sie keinen Gruppendruck erzeugen wollten. Das ist zwar ein seltsames Verständnis von Freiheit. Man bevormundet die Spieler, die man nicht mitmachen lässt, mit der Begründung, sie könnten sich zu etwas gezwungen fühlen. Gegen gefühlten Zwang kann man sich auch individuell wehren. Andererseits weiß man tatsächlich erst in der Praxis, was jede einzelne Unterschrift wert ist, wer lediglich unterzeichnet hat, weil er sich daran orientiert hat, was aus seiner Sicht sozial erwünscht ist.
Wenn sich solidarische Fußballprofis emanzipieren, sich nicht mehr bloß in Kampagnen einspannen lassen, sondern auch im Kampf gegen Homophobie die Zügel selbst in die Hand nehmen, dann dürften die Ängste von schwulen Fußballern vor einem Coming Out weit mehr schwinden. Es geht dabei in erster Linie um einen weiteren kulturellen Wandel im Alltag. Um den Abbau von homophoben Männlichkeitsvorstellungen, die unter Fußballern immer noch recht verbreitet sind. Der Rest kommt dann von allein.
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