Rassismus im Fußball: Keine Gnade!
Rassistische Exzesse der Heimfans überschatten das EM-Qualifikationsspiel zwischen Bulgarien und England. Jetzt ist die Uefa gefordert.
R assistische Gesänge von den Rängen, Fans, die den Hitlergruß zeigen, und Hohn und Spott für die antirassistische “Respect“-Kampagne der Europäischen Fußballunion Uefa. Es war schockierend, was sich im Wassil-Lewski-Nationalstadion von Sofia am Montagabend abgespielt hat. Schon kurz nach dem Anpfiff wurde das EM-Qualifikationsspiel zwischen Bulgarien und England selbst zur Nebensache.
Die Fans, die nicht müde wurden, Affengeräusche von sich zu geben, immer wenn der englische Verteidiger Tyrone Mings an den Ball kam, bestimmten das Geschehen. Zwei Mal musste das Spiel unterbrochen werden. Für das englischen Team war es ein niederschmetternder Tag, der “schrecklichste, den ich je im Fußball erlebt habe“, wie Greg Clakre, der Chef des englischen Fußballverbands FA, meinte.
Nun ist es einmal mehr an der Uefa, eine angemessene Strafe für die Vergehen der Fans zu finden. Die waren in dieser Qualifikationsserie schon zwei Mal mit rassistischen und nationalistischen Exzessen auffällig geworden. Für Vorfälle aus den Spielen gegen Tschechien und den Kosovo setzte es Strafen. Ein Sektor für 5.000 Zuschauer wurde gesperrt.
Zudem mussten die Bulgaren das Stadion für das England-Spiel mit Uefa-Bannern, auf denen “Equal Play“ zu lesen war, ausschmücken. Dass das rassistische Fans nicht davon abhalten würde, ihre Anfeindungen vor allem schwarzen Spielern gegenüber durch das Stadion zu grölen, hatten die Engländer schon vor dem Spiel befürchtet und damit gedroht, den Platz zu verlassen, falls es zu rassistischen Anfeindungen kommen sollte.
Regeln ohne Hüter
Bei dieser Ankündigung schwang schon die Befürchtung mit, dass die Unparteiischen, die die Uefa zu der Partie schicken würden, die Regularien des Verbands eher zurückhaltend interpretieren würden. Die Uefa hat für rassistische Vorfälle auf den Rängen Regularien entwickelt, an die sich so gut wie nie gehalten wird.
Zunächst soll bei einem Vorfall das Spiel unterbrochen werden, damit über den Stadionsprecher eine antirassistische Botschaft verlesen werden kann. Beim zweiten Vorfall sind die Schiedsrichter dazu angehalten, die Mannschaften in die Kabine zu bitten und mit dem Wiederanpfiff so lange zu warten, bis sich die Lage im Stadion beruhigt hat, Störer eventuell der Kurve verwiesen worden sind. Bei einem dritten Vorfall soll das Spiel ganz abgebrochen werden. Eigentlich ganz einfach.
Doch die Schiedsrichter um den Spielleiter Iwan Bebek aus Kroatien schaften es schon nicht, den zweiten Punkt umzusetzen. Wenn sie nicht vom englischen Trainer Gareth Southgate auf die rassistischen Gesänge aufmerksam gemacht worden wären, hätten sie wohl gar nichts unternommen. Auch Mings selbst soll zum Assistenten an der Linie gesagt haben: “Hey, haben Sie das gehört?“ Doch das Schiedsricherteam reagierte erst, als sich Southgate beim vierten Offiziellen beschwert hat. Wenn diejenigen nichts für die Durchsetzung der Regeln tun, die dafür zuständig sind, dann nützen die strengsten Bestimmungen nichts.
Mangel an Problembewusstsein
Jetzt wird die Uefa wieder über eine Bestrafung nachdenken. Wahrscheinlich müssen die Bulgaren ein paar Heimspiele vor leeren Rängen austragen. Ob das etwas helfen würde? Wohl kaum. Bulgariens Nationaltrainer Krassimir Balakow sagte nach dem Spiel, er habe keine rassistischen Gesänge gehört. Warum dann sein Kapitän in der Pause zu den Fans gegangen sei, um sie zu beruhigen, auch darauf hatte er eine Antwort. “Es ging um den Auftritt unseres Teams auf dem Platz.“
Problembewusstsein sieht anders aus. Vielleicht wäre es am besten, die Uefa würde dem bulgarischen Fußballverband ein bisschen Zeit zum Nachdenken über Rassismus geben. Wie wäre es mit einem Ausschluss des Verbands für die nächste WM-Qualifikation? Es wird wohl nicht so kommen.
Das Spiel übrigens hat England mit 6:0 gewonnen. Eine gute Nachricht hat es an diesem finsteren Abend also doch noch gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was