Fußballer in sozialer Not: Der Weg in den Ruin
Das Bild vom sorgenfreien Dasein eines Starkickers hat mit der Realität wenig zu tun. In Italien sind sechs von zehn Profis nach der Karriere armutsgefährdet.
Fünfzehn, im besten Fall zwanzig Jahre dauert die Karriere eines Fußballprofis. Dazu gehören Reisen, Druck, Verletzungen, Berühmtheit und Geld, viel Geld. Aber was passiert, wenn das Scheinwerferlicht ausgeht und man auf einmal den Beruf und die größte Leidenschaft verliert? „Dann beginnt das Leben“, seufzt Guglielmo Stendardo, „und das Leben ist nicht einfach“.
Der ehemalige Verteidiger, unter anderem für Juventus Turin, Lazio Rom und Atalanta Bergamo, hat während der Karriere Jura studiert und ist heute als Anwalt und Dozent an der Privatuniversität LUISS in Rom tätig. Er sieht in seinem eleganten blauen Anzug ganz entspannt aus, obwohl er gerade eine Vorlesung vor 180 StudentInnen hinter sich hat. Für das Schicksal der Profis nach Karriereende hat er sich schon immer interessiert. „Die Daten sind bekannt, aber man ignoriert sie lieber.“
Laut einer Studie der amerikanischen Versicherungsgesellschaft Lombard International Assurance sind 40 Prozent der europäischen Fußballspieler schon fünf Jahre nach ihrem Karriereende armutsgefährdet. In Italien beträgt der Prozentsatz sogar 60 Prozent, in Deutschland dagegen 25 Prozent. Es sind Daten, die mit dem Bild von den reichen, sorgenfreien Fußballhelden nicht zu vereinbaren sind.
Aber warum sind 6 von 10 italienischen Ex-Profis von Armut bedroht? „Es gibt verschiedene Gründe“, erklärt Stendardo: „Zum einen bekommen nur 10 Prozent der ungefähr 3.000 Profis ein so hohes Gehalt, dass ihre Zukunft abgesichert ist. Der Rest muss sich für seinen Lebensunterhalt etwas dazuverdienen. Zum anderen machen viele Fehlinvestitionen oder vertrauen ihr Geld unzuverlässigen Beratern an. Schließlich kommt hinzu, dass man zwischen 20 und 35 Jahren nur an Fußball denkt und einen hohen Lebensstandard hat.“
Viele Schulabbrecher
Besteht nicht die Gefahr, dass man wie in einer Seifenblase lebt, die keine Berührungspunkte mit der realen Welt hat? „Auf jeden Fall“, sagt Stendardo. „Früher oder später zerplatzt jedoch die Blase, und dann wird es problematisch, wenn man keine Ausbildung abgeschlossen hat.“ Das kommt übrigens in Italien häufig vor: 70 Prozent der Spieler haben die Schule abgebrochen, nur 1 Prozent hat einen Uni-Abschluss.
Stendardo, Ex-Profi und Uni-Professor
„Wir brauchen eine Kulturrevolution. Junge Spieler müssen davon überzeugt werden, dass die Ausbildung sogar wichtiger ist als der Fußball. Spitzensportler werden nur wenige, und auch die müssen mit 35, 40 Jahren eine neue Karriere starten. Aber ohne Vorbereitung fällt es ihnen schwer. Dass manche an Depressionen leiden, ist auch kein Zufall: Ihre Welt bricht von einem Tag auf den anderen zusammen.“
Stendardo betrachtet die USA als Vorbild, wo die Topsportler häufig über das Collegesystem in den Profisport kommen. Die Studie der US-Versicherungsgesellschaft stellt aber fest, dass NBA- und NFL-Profis, die besten Basketballer und Footballspieler also, sogar noch stärker armutsgefährdet sind: Jeweils 60 beziehungsweise 78 Prozent der Spieler sind durch Geldsorgen belastet, und zwar erst zwei Jahre nach dem Karriereende.
Es haben also neben dem Fehlen von Bildung mehrere Faktoren einen Einfluss. Im Jahr 2017 veröffentlichte die englische Fußballzeitschrift „FourFourTwo“ einen Bericht mit dem Titel „Warum sind so viele Spieler finanziell ruiniert?“. Darin wurde erklärt, wie Spielsucht, Exzesse und eine Scheidung einen Millionär in Armut stürzen können. Nach Karriereende lassen sich 33 Prozent der Ex-Profis in England innerhalb von zwölf Monaten scheiden. Hohe Unterhaltszahlungen an die Ex-Frauen sind die Folge. Laut einer Studie des englischen Spielerverbands (PFA) sind Fußballer zudem dreimal so stark gefährdet, spielsüchtig zu werden, wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Der Grund? Langeweile und Einsamkeit.
Ein weiteres Problem ist das Rentensystem. In Italien beginnt das Rentenalter für Fußballer – wie auch für andere – mit ungefähr 67 Jahren. Das heißt, 30 Jahre nach dem Karriereende. „Das gilt aber ausschließlich für die gut bezahlten Profis“, warnt Stendardo. „Diejenigen, die dazuverdienen müssen, können nicht mit einer Pension bzw. Abfindung rechnen, weil nur Klubs aus den obersten Ligen zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet sind. Was soll man zwischen 35 und 67 tun, wenn man außer Fußball nichts kann? Mit 35 Jahren ist man vielleicht im Fußball alt, aber im normalen Leben so jung, dass man auf keinen Fall die Arbeitswelt verlassen kann.“
Die Konsequenz ist für Stendaro klar: „Deswegen muss man ständig lernen, Kurse besuchen, sich weiterentwickeln. Unsere Gewerkschaft AIC bietet zwar ein paar Möglichkeiten an, aber es ist noch nicht genug. Es ist eine Frage der Mentalität: Zu viele Eltern tolerieren, dass ihre Kinder die Schule abbrechen, manche ermutigen sie sogar dazu. Doch ohne Bildung gibt es keine Zukunft.“
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