Fußball und Haltung: Lob für die Laptoptrainer-Antifa
Ralf Rangnick war mal ein besserer Brauseverkäufer. Heute ist er Österreichs Teamchef und macht Ansagen gegen Homophobie und den drohenden Rechtsruck.
D as wird jetzt unangenehm, aber da muss ich durch: Ich muss Ralf Rangnick loben. Ich tue das nur sehr ungern und unter dem zuckenden Protest jenes Teils meines Hirns, das sich nicht in seine Schubladen pfuschen lassen will. Aber Ambivalenzen auszuhalten ist Zeichen einer gereiften Persönlichkeit, und da ich das schon gerne wäre, muss es eben sein.
Ralf Rangnick also, dieser Schnösel, dem zuzuhören mich häufig daran erinnert, dass ich Sülze nicht mag; ebenjener Rangnick, der mich allzu sehr an jenen Typus Beamten erinnert, den einst die Duodezfürstentümer hervorgebracht haben müssen; jene Leute, die mit besonderem Stolz am Schlagbaum standen und die zum Markt durchreisenden Bäuer*innen schikanierten, weil sie drei Eier mehr als erlaubt in ihrem Korb hatten; jener Ralf Rangnick auch, der für diese Marketing-Farce eines Leipziger Fußballklubs den Erfolg organisierte; der also ein besserer Brauseverkäufer ist; wobei ich ihm das besonders übel nehme, wenn ich bedenke, wie während der Weimarer Republik italienische Eisverkäufer, die vor dem faschistischen Regime Mussolinis geflohen waren, in Deutschland die Idee von der Gleichheit aller Menschen und andere kommunistische Ideale verbreiteten; den muss ich nun loben. Warum eigentlich?
Nach dem Wiener Derby Rapid gegen Austria hatten die Spieler Guido Burgstaller, Marco Grüll und Niklas Hedl homophobe Gesänge angestimmt, um ihre Gegner zu schmähen. Daraufhin hat Ralf Rangnick, der aktuell Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft ist, sie nicht in den Kader für die anstehenden Länderspiele zu berufen.
Seine Begründung könnte deutlicher nicht sein: „Das ist etwas, das ich in meiner Mannschaft nicht tolerieren werde. (…) Alles, wofür wir mit der Nationalmannschaft stehen, ist diametral am anderen Ende der Werteskala.“ Die Spieler müssten sich „ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzen und verstehen, was es für Menschen bedeutet, wenn sie auf so eine Art und Weise öffentlich beleidigt und diskriminiert werden“. Ein öffentliches „sorry“ allein wird nicht reichen; alle drei werden sich beweisen müssen, um wieder eingeladen zu werden.
Alltag und Politik
Das ist die richtige Reaktion auf Menschenfeindlichkeit: nicht nur pflichtschuldige Entschuldigungen einholen, sondern, um es im Fußballdeutsch zu sagen, zu erwarten, dass die Spieler jetzt eine Reaktion zeigen. Ralf Rangnick fordert dies sicher auch vor dem Hintergrund ein, dass er sich große Sorgen macht angesichts des Erstarkens der Rechtsextremen in Europa.
Im Interview mit dem Standard sagte er: „Jeder kann in seinem persönlichen Bereich etwas tun. Es ist gut, dass es Massendemonstrationen gegen rechts gibt, die schweigende Mehrheit nicht mehr länger bereit ist, den Mund zu halten. Wir können nicht sagen, wir sind Sport, wir halten uns komplett aus allem raus. Wir stehen alle in der Verantwortung.“
Ich komme nicht umhin festzustellen, dass er dieser Verantwortung gerecht geworden ist. Es ist freilich nicht so, dass die Herren Burgstaller, Grüll und Hendl handfeste Nazis wären, aber sie haben sich menschenfeindlich geäußert und müssen dafür die Konsequenzen tragen: das ist fair.
Es ist oft die Rede davon, dass Fußball und Politik getrennt gehören. Das ist auf eine Art und Weise Quatsch, dass es schwer wird, dem rational zu widersprechen. Denn wie Gesellschaften zusammenleben, gehört nicht in den Bereich der Politik, sondern in den Alltag. Wenn wie in Deutschland die Farbe eines T-Shirts schon politisch ist, wie es viele Klemmnazis angesichts einer neuen Edition des Nationaltrikots behaupten, kann man eigentlich nur noch sagen: Bist wo agrennt, du Hiafla?
Insofern finde ich mich auf einer Seite mit Ralf Rangnick: Randlosbrille, trotzdem da; Laptoptrainer-Antifa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken