Fußball in Gera: Präsident mit Sympathien für Rechte
Lars Weber stand an der Spitze von Wismut Gera. Man darf ihn nach einem Urteil „Neonazi“ nennen. Wie wird so jemand Präsident eines Klubs?
GERA taz | Für Geraer Verhältnisse ist das ein richtig großes Spiel. In einer Woche kommt Rot-Weiß Erfurt. Achtelfinale im Thüringer Landespokal. Wismut Gera, die Mannschaft aus der sechsten Liga, trifft auf einen Drittligisten. Aber dieses Match ist gerade nicht so wichtig, auch nicht für Jan Genseke, den Wismut-Fan. Ihn treibt eine Personalie im Verein um. „Das ist ein Imagedesaster“, sagt der 29-Jährige und zieht eine Schnute.
Ein Desaster. Damit meint er die Wahl von Lars Weber, 41, zum Präsidenten des Vereins. Weber genießt einen zweifelhaften Ruf in der Stadt. Die einen sagen, er sei ein Nazi. Die anderen finden, er habe viel für den Verein getan. Das mag sein, räumt auch Genseke ein, aber in dieser exponierten Position hält er Weber für „untragbar“ und „total schädlich wegen seiner Vergangenheit und wohl auch seiner Gegenwart“.
Lars Weber ist der neue starke Mann von Wismut Gera. Er ist ein Kampfsportler, Spitzname „Buddha“. Die Spezialität des ehemaligen Judoka ist der Würgegriff. Bei seinem letzten Käfigkampf im Dezember 2012 in Köthen hat er einem gewissen Ruslan Siniavski die Luft abgedrückt. Jetzt hat er gemeinsam mit seiner Sicherheitsfirma Alpha DSD den Fußballklub Wismut Gera im Schwitzkasten.
Der einstige Sicherheitschef des Klubs hat es bis zum Präsidenten gebracht. Doch jetzt, da er ganz oben angelangt ist in der Vereinshierarchie, kochen die alten Geschichten wieder hoch: seine Verbindungen ins rechtsextreme Milieu, seine zwielichtigen Kompagnons im Kampfsportklub und seine gewalttätige Vergangenheit.
Jan Genseke ist seit 15 Jahren Fan von Fußballklubs in Gera, „viel länger als Weber“, behauptet er. In Gera ist das kein Vergnügen. Die Klubs der Stadt spielten meist in den Niederungen der Thüringer Fußballlandschaft. Sponsoren aufzutreiben war immer schon schwierig in einer Region, die im Abseits liegt. Insolvenzen hat es, wie im Ostfußball so oft, natürlich auch gegeben. Der 1. SV Gera war betroffen und der 1. FC Gera 03.
Die Krise begriffen einige als Chance. Sie reaktivierten den traditionsreichen Vereinsnamen Wismut aus DDR-Zeiten. Vor vier Jahren wurde die Ballsportgemeinschaft (BSG) Wismut Gera neu gegründet. Das klang irgendwie nach mehr. Nach DDR-Oberliga und Bezirkshauptstadt, nach Rückbesinnung und Aufbruch zugleich.
Die Ultras wollen heraus aus der rechten Ecke
Genseke gehört zu den Ultras des Vereins. Die Gruppe malt Plakate, singt und macht auf den Rängen Rabatz. In vielen Vereinen geben sich die Ultras progressiv, sind weniger dumpf als die Hooligans. Weil die Fans von Wismut Gera „eigentlich immer in der rechten Ecke standen“, wie Genseke sagt, wurde es Zeit, ein Fanprojekt ins Leben zu rufen und das Image der Ultras zu verbessern. Genseke leitet den „Fantreff“.
Die Volkssolidarität überweist ihm seit über einem Jahr Geld für eine halbe Stelle. Untergekommen sind die Ultras im Veranstaltungszentrum Comma. Sie wollen unpolitisch sein. Und sie wollen mitbestimmen. Für Genseke ist das kein Widerspruch.
Bei der Wahl von Weber vor einem Monat stimmten die Ultras gegen ihn. Alle anderen gaben Weber die Stimme. „Mit so einer Aktion reißt man mit dem Hintern ein, was wir aufgebaut haben“, ärgert er sich. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Weber so dumm ist anzutreten.“ Der hätte in der zweiten Reihe bleiben sollen, sagt Genseke, dann hätte es nicht so einen Wirbel gegeben. Dann wären auch nicht Journalisten aus Hamburg und Berlin aufgetaucht in der Stadt an der Weißen Elster.
Dann hätte sich auch nicht der Runde Tisch für Toleranz und Menschlichkeit der Stadt Gera mit der Personalie befasst und am Donnerstag eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der steht, dass man sich sorge, „dass eine Person, welche einschlägig vorbestraft ist und sich deutlich zur aggressiven rechten Szene zählte, ein solch wichtiges gesellschaftliches Amt übertragen bekommt“.
Schnauze voll von diesen Spezis
Der Runde Tisch sieht „Klärungsbedarf“, weil Webers „formale Distanzierung von der rechten Szene „als nicht überzeugend angesehen“ wird. Gefordert sei jetzt der Sportbund in Gera und Erfurt.
Sie können schon seit Längerem nicht mehr miteinander, Genseke und Weber. Dabei haben sie früher zusammen Kampfsport gemacht, Ende der 90er Jahre und auch später noch mal ein halbes Jahr lang, als Weber im Ruf stand, sich mit rechten Schlägern zu umgeben.
Das wollte Genseke irgendwann nicht mehr. „Ich hatte schnell die Schnauze voll von diesen Spezis, für mich sollte der Sport im Mittelpunkt stehen und nichts anderes“, sagt er. Bei Wismut hat er mitbestimmen wollen und regelmäßig Vorstandssitzungen besucht. Er hat aber schnell eingesehen, dass Weber nicht gut mit Kritik umgehen kann.
„Es ist gut zu wissen, wer mein Feind ist“, habe Weber, das damalige Vorstandsmitglied, ihm einmal gesagt. Ein andermal wurde das Stadionheft der Ultras, das Wismut-Kartell, aus dem Stadion verbannt, weil angeblich Lügen darin gestanden hätten. Aus Protest boykottierten die Ultras ein Heimspiel. Einschüchtern haben sie sich nicht lassen: „Danach waren wir noch kritischer“, sagt Genseke. Er hofft, dass das „Thema“, also die Diskussion über Webers Präsidentschaft, jetzt erst richtig losgeht. Der Druck soll größer werden.
Acht Anklagen und nur eine Verurteilung
Dafür sorgen schon jene Bürger, die Gera nicht den Rechten überlassen wollen. Sie haben bereits 2010 Alarm geschlagen, als der vorbestrafte Weber in den Vorstand von Wismut gewählt wurde. Sie haben Fakten zusammengetragen, die beweisen sollten, dass Weber kein harmloser Geschäftsmann ist, der eine Securityfirma führt, sondern ein Nazi. Man darf ihn ungestraft so nennen.
Denn es gibt ein Urteil des Thüringer Oberlandesgerichts aus dem Jahr 2008 (Az. 1U635/08), wonach Weber als „Neonazi“ bezeichnet werden kann. Als „bloßes Werturteil“ sei das in seinem Fall gerechtfertigt, sagten die Richter und bezogen sich unter anderem auf einen Artikel in der Ostthüringer Zeitung vom 15. Dezember 2005, in dem eine Polizeisprecherin bestätigte, Weber „sympathisiere“ mit der rechten Szene.
Bis zu jener Gerichtsverhandlung traten Weber und die Kameradschaft namens Gersche Jungs, deren Mitglied er war, recht rabiat in der Stadt und anderswo auf. Weber galt damals als berüchtigter Schläger. „Er war eindeutig radikalisiert, trat rechtsnational und gewalttätig auf“, sagt jemand, der Weber seit Mitte der 90er Jahre kennt, aber mit Namen nicht in der Zeitung stehen möchte.
Die Staatsanwaltschaft Gera listet acht Verfahren wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Nötigung, räuberischer Erpressung und Urkundenfälschung auf. Verurteilt wurde Weber aber nur einmal im Jahr 2006 wegen Körperverletzung, was den Sprecher der Staatsanwaltschaft ein wenig wundert: „Das habe ich ja noch nie erlebt, der scheint einen Freifahrschein zu besitzen.“
Aktuell liegt eine Anzeige wegen Nötigung gegen Weber vor. Von anderer Seite heißt es, dass betroffene Geraer schlicht Angst hätten, gegen Weber auszusagen. Auch der Ermittlungseifer der Polizei sei nicht der größte, weil Webers Sicherheitsfirma für Ruhe sorge und damit Polizeiarbeit erleichtere.
G-LW 188
Weber, der Jura studiert hat, war auch Mitbegründer des Kampfsportklubs Eastfight. Im Umfeld des Vereins tummelten sich Kämpfer mit rechter Gesinnung, so auch der berüchtigte Holocaustleugner Marcel Wöll, ein führender Aktivist der neonazistischen Freien Kameradschaften. Kampfsportveranstaltungen, sogenannte Fight-Clubs, wurden von rechten Szeneläden wie The Last Resort Shop aus Zwickau oder Objekt 90 aus Gera gesponsert. An der Kleidung der Kampfsportfreunde, die zum Beispiel Thor Steinar oder Consdaple trugen, war zu erkennen, wo sie anzusiedeln sind: im rechtsextremen Milieu.
2010 teilte nach Jahren der Verharmlosung das Thüringer Innenministerium auf Anfrage der Linken mit, „dass sich auch Rechtsextremisten unter den Mitgliedern der Thüringer Kampfsportvereine befinden“ (Drucksache 5/801). Weber selbst hielt sich seit 2008 immer mehr zurück, betrieb politische Mimikry. So leistete er sich das Autokennzeichen G-LW 188. In der Szene steht dieser Zahlencode für „Adolf Hitler“ beziehungsweise „Heil Hitler“.
Doch Weber machte glauben, die Zahlen bezögen sich nur auf die Geburtsdaten seiner beiden Söhne. Es ist ein Spiel mit Uneindeutigkeiten, das Wismuts neuer Präsident gut beherrscht. Nur allzu gern wird aufgegriffen, was Weber behauptet. Im Thüringer Fußballverband und selbst bei der Ostthüringer Zeitung kursiert die These, Weber sei „ausgestiegen“.
„Nein, davon ist nicht auszugehen, Weber hat mit den Jahren einfach nur dazugelernt. Er ist gewiefter geworden, spielt den biederen Geschäftsmann und gibt sich nach außen geläutert“, sagt Peter Lückmann vom Geraer Verein AufAndHalt, einem „Netz von Betroffenen rechtsextremer Gewalt“. Die Geraer Bevölkerung verhalte sich meist passiv zu solchen Personen, erklärt der 59-Jährige: „Wenn so einer wie Weber kein NPD-Parteibuch hat, dann haben die meistens auch kein Problem mit dem.“
Aussprache brachte nicht viel
So wie der Vorstand von Wismut Gera. Sie haben ihm vor drei Jahren ohne Skrupel einen Vorstandssitz überlassen. „Es gab nie irgendwelche Tendenzen oder rechte Parolen“, versichert Exvorstand Dietmar Kayser. „Wir waren ja froh über sein Engagement mit der Securityfirma, und allein das zählt.“ Webers Sicherheitsdienst habe die „Problemfans“ endlich in den Griff bekommen, „wir waren dankbar, dass er uns geholfen hat“.
Eine Aussprache der Wismut-Vorstände mit Mobit, der Mobilen Beratung in Thüringen für Demokratie, und dem Thüringer Fußballverband in Erfurt brachte seinerzeit nicht viel. Ratlos seien die Herren gewesen, heißt es. Das seien eben die Zwänge, hatten sie auf Einwände von Mobit entgegnet. Geladen war auch der Wismut-Vorstand Norbert Hein, bis Juni dieses Jahres CDU-Bürgermeister in Gera. Einem Vertreter des Runden Tisches soll er gesagt haben: „Was ich für die Stadt mache, ist mein Job, und was ich für Wismut mache, ist meine Freizeit.“ Später will er an Vorstandssitzungen, die auch Weber besuchte, nicht mehr teilgenommen haben.
Mit Weber kam 2010 auch Jens „Sascha“ Seidel in den Wismut-Vorstand. Seidel, der noch heute bei Wismut als Nachwuchsleiter firmiert, geht weniger verklausuliert als Weber zu Werke. Er hat Trainingseinheiten, berichten Insider, mit „Heil Hitler!“ begonnen und mit „Sieg Heil!“ beendet. Bei einem Jugendturnier beschimpfte er gegnerische Mannschaften als „Judenschweine“.
Seidel musste aufgrund der Vorfälle zwar aus dem Wismut-Vorstand ausscheiden, mehr aber auch nicht. All das wurde bisher auch von angesehenen regionalen Sponsoren wie Köstritzer oder der Geraer Bank geduldet. Sie wollen auf Nachfrage der taz ihr Engagement jetzt überdenken. „Sollten wir unsere Ziele in der Unterstützung der Sportförderung nicht gewahrt sehen, werden wir Schlussfolgerungen daraus ziehen“, kündigt eine Sprecherin von Köstritzer an.
„Jede Stadt bekommt den Fußball, den sie verdient“, sagt ein Sportreporter aus Gera im Gespräch mit der taz. Mit dieser düsteren Diagnose will sich Jan Genseke allerdings nicht abfinden. Zur Not würde er selbst für den Posten des Präsidenten kandidieren.
NACHTRAG: Nachdem obiger Artikel am Samstag in der taz erschienen ist, trat Lars Weber nun als Präsident von Wismut Gera zurück. Schuld sind nach Darstellung des Vereins die Medien: „Durch die öffentliche Darstellung, im Zusammenhang mit Lars Weber als ersten Vorsitzenden ist dem Geraer Traditionsverein mit seinen ca. 250 Mitgliedern ein Imageschaden entstanden, der seine Ursache in der undifferenzierten Betrachtung hat“, heißt es in einer Erklärung auf der Home des Vereins.
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