Überfall auf Thüringer Kirmesfest: Gewalt „aus dem rechten Bereich“
Nach dem Angriff auf eine Kirmesgesellschaft ist auch für Thüringens Innenminister klar: das waren Neonazis. Einer wurde wahrscheinlich erkannt.

Kahl: Neonazis in Thüringen (Archivbild). Bild: dpa
HAMBURG taz | In der Nacht zu Sonntag griffen mehrere Vermummte im thüringischen Ballstädt eine Kirmesgesellschaft an. Zwei der Betroffenen liegen im Krankenhaus, zehn sind insgesamt verletzt. Im Gemeindesaal der 700-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Gotha soll alles blutverschmiert sein, berichten Regionalmedien. „Das war eine rechtsextremer Übergriff“, sagt Stefan Heerdegen von der Mobilen Beratung in Thüringen „Für Demokratie – Gegen Rechtsextremismus“ (MBT).
Hatte die Staatsanwaltschaft dies noch zunächst für unklar gehalten, bestätigte am Montag Nachmittag nun Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU): „Es ist eindeutig, dass aus dem rechten Bereich Gewalt ausgegangen ist.“
Am Samstag hatte die Dankeschönfeier für Helfer und Unterstützer des Kirmesfestes im November 2013 begonnen. Um drei Uhr Sonntagfrüh, als nur noch etwa 15 Leute zusammen feierten, hämmerte eine Person aggressiv an die Tür. Schnell sollen an die zwanzig Vermummte in der Saal gedrungen sein und zugeschlagen haben. Die anwesenden Frauen konnten sich in eine benachbarte Gaststätte retten. „Die Angreifer trugen Schlagringe und Quarzsandhandschuhe“, sagt Heerdegen. Das MBT hat vor Ort Betroffene aufgesucht.
Dort ist war man sich sofort sicher, mindestens einen der Angreifer, einen 31-jährigen Rechtsextremen aus der Szene um die Rechtsrockband SKD, erkannt zu haben. Vor dem Angriff soll der erste Vermummte gefragt haben, wer ihr Fenster kaputt gemacht habe. Dies ist ein weiterer Hinweis auf den Täterkreis. Denn im Dezember vergangenen Jahres wurde die Rechten-Unterkunft „Gelbes Haus“ mit Anti-Nazi-Graffitis versehen, auch ein Parterrefenster ging kaputt, später offenbar noch ein weiteres.
Thema für den Innenausschuss
Das „Gelbe Haus“, eine ehemalige Bäckerei, liegt mitten im Ort. Die Eigentümer gehören zum Umfeld von SKD und auch der „Hausgemeinschaft Jonastal“ in Crawinkel, einem weiteren als rechtsextrem bekannten Wohn- und Versammlungsort, 30 Kilometer von Ballstädt entfernt. Vor dem Einzug der Rechten in das „Gelbe Haus“ gründeten Anwohner die „Allianz gegen rechts“, einzelne Mitglieder sind auch bei der Kirmesgesellschaft.
Heerdegen berichtet, die Bewohner des Gelben Hauses seien schon einschlägig aufgefallen. Bei Razzien am 29. August 2013 Jahres fanden Ermittler in den Immobilien in Ballstädt und Crawinkel mehrere Schuss- und Schlagwaffen. „An Orten mit Neonazi-Immobilien ist immer mit Einschüchterungen und Übergriffen zu rechnen“, sagt Heerdegen. Die Linkspartei will den Angriff im Innenausschuss des Landtags thematisieren. Der zuständige Minister wird sich dem wohl nicht entziehen.
Leser*innenkommentare
Kaboom
Gast
Interessant (und bezeichnend) ist, dass - abgesehen von der TAZ - in den Mainstream-Medien davon mal wieder kaum Notiz genommen wird. Und nun vegleiche man diese mit der Aufmerksamkeit, die irgendwelche Spinner in Hamburg erhalten, wenn man die der linken Szene zuordnen kann.
Schnullebaby
Gast
Auch Glatzen können sensibel sein: "Wer hadde mein Fenster puttemacht und wer hadde von meinem Tellerchen gegessen?"
Moin
Gast
Wenn Edathy Steuern hinterzieht, ist das dann linke Kriminalität?
anteater
@Moin Der ist doch in der SPD. Das ist keine linke Partei (mehr).
Hans
Gast
@Moin Tja, da waren Sie wohl voreilig mit ihrem Verdacht.
Hans
Gast
Ich findes es mal wieder interessant, dass man darüber nichts in den überregionalen Medien (ARD, ZDF) erfährt.
Ruhender
Gast
Solange der Islam vom Verfassungsschutz für gefährlicher eingestuft wird als der Nationalismus, obwohl die vom V-Schutz selbst erfassten Zahlen der Straftaten ganz klar anderes aussagen und keinerlei Bestätigung für diese Einschätzung liefern, wird man wohl mit noch mehr gebrochenen Nasenbeinen rechnen müssen. Es zeichnet sich nicht ab, daß dem Rechtsradiaklismus von Seiten des Staates endlich angemessen Einhalt geboten würde.
Wagner
Gast
Zum Glück waren keine Polizisten vor Ort die hätten verletzt werden können. Sonst wäre halb Thüringen jetzt Gefahrtengebiet und die Medien müssten von rechten Krawallmachern schreiben.
Aber so... weitergehen hier gibt es nichts zu sehen..
anteater
Meine Güte. Es wird sich doch irgendwo in den weiten Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns oder Sachsens ein möglichst abgelegenes, entvölkertes Dorf finden, in das wir die ganze Nazibande umsiedeln können. Den Ort gemeinden wir dann sozusagen aus aus der Bundesrepublik und dann können die ewig Vorgestrigen dort ihr 4. Reich ausleben. Gut, ist ja dann nicht EU, also müssen wir da strenge Einreisekontrollen (in die, ähem, Rest-BRD) durchführen (wer offensichtlich politisch ganz rechts außen steht darf nicht einreisen), aber wenigsten können sie dann normalen, friedliebenden Menschen nicht auf den Senkel gehen und schon gar nicht ihnen auf die Schnauze hauen.
Florian Müller
Gast
Ich glaube nicht, dass es das Problem löst, wenn man es räumlich irgendwohin verschiebt und nichts mehr damit zu tun haben will. Rechtsradikale Einstellungen sind zu sehr in der Gesellschaft verbreitet.
Aber, hey, diese Orte gibt es ja schon. Die Nazis sollte man einfach ins Gefängnis stecken.
Nette Idee, aber ...
Gast
@anteater ...kein auf nationalsozialistischen Prinzipien beruhender Staat wird eine parlamentarische oder sonstwie organisierte Demokratie dauerhaft neben sich dulden. Eine solche Koexistenz widerspräche von Grund auf dem nationalsozialistischen Weltbild.
anteater
@Nette Idee, aber ... Na ja, bis die eine relevante Rüstungsindustrie aufgebaut haben, sind vielleicht schon wieder mehrere Eis- und Warmzeiten über den Kontinent eingebrochen. Ich bin mir sicher, dass wir uns über Koexistenz keine Gedanken machen müssten.
Rainer B.
@anteater Früher nahm man dazu abgelegene, einsame Inseln. Da können sich die Gros-ss-chnauzen dann mal praktisch bewähren, an Kraft fehlt es ja nicht. Das heutige Australien ist auch so entstanden.
anteater
@Rainer B. Schwierig heutzutage noch einsame Inseln zu finden, die zu keinem Staat gehören. Davon abgesehen natürlich eine gute Idee.
Grast
Gast
Erst Hamburg nun Ballstädt. Irgendwie geht das Land gerade etwas kaputt.