Fußball WM 2030 und 2034: Der Profit bleibt am Ball
Saudi-Arabien wird Gastgeberland der Fußball-WM 2034. Fifa-Präsident Infantino spricht von einem „historischen Kompromiss“. Die Fußballverbände geben klein bei.
Um den von Menschenrechtsaktivisten bis zuletzt stark kritisierten Bewerber Saudi-Arabien auf die Überholspur zu setzen, wurde das Rotationsprinzip, das den Kontinenten im Wechsel eine Fußball-WM beschert, wundersam beschleunigt. Drei Kontinente und sechs Länder (Spanien, Portugal, Marokko, Uruguay, Paraguay und Argentinien) wurden mit der WM 2030 beglückt. Das hundertjährige Jubiläum von Fußball-Weltmeisterschaften, das war der Kunstgriff der Fifa, muss doch gebührend und partizipativ gefeiert werden. In Asien war nur Saudi-Arabien auf diesen Coup vorbereitet und konnte als einziges Land des Kontinents die vierwöchige Bewerbungsfrist für die WM 2034 einhalten.
Statutenveränderungen der Fifa im Oktober 2023, denen auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zustimmte, ermöglichten zudem erstmals wieder eine WM-Doppelvergabe. Ein Verfahren, das Kungeleien begünstigt und nach der desaströsen Vergabe an Russland (2018) und Katar (2022) im Rahmen der Fifa-Reformen eigentlich für sittenwidrig befunden wurde.
So hatte am Mittwoch jeder Verband der Fifa nur eine Stimme für oder gegen die Paketlösung. Wer die sechs Gastgeber für die WM 2030 unterstützen wollte, musste auch für Saudi-Arabien stimmen. DFB-Chef Bernd Neuendorf, der lange Zeit vorgab, der Verband wäge noch ab, wie er abstimmen werde, bekannte sich vergangenen Freitag klipp und klar zu seinem Votum auch für Saudi-Arabien. Alles andere, erklärte er, wäre nur Symbolpolitik, die in die Isolation führen würde. Hätte sich der DFB gegen diese Entwicklung gestimmt, lautete sein Argument, hätte das keinen Einfluss auf das Ergebnis gehabt.
Salbungsvolle Worte von Infantino
Das Setting der Kür der WM-Gastgeber von 2030 und 2034 am Mittwoch verströmte allerdings auch den Eindruck von freiwilliger Isolation. Wie zu Pandemiezeiten üblich, wurde die Wahl per Videokonferenz durchgeführt. Auf die ansonsten übliche physische Anwesenheit ihres Stimmvolks und des wissbegierigen Medientrosses verzichtete die Fifa-Führung. Immerhin bot der Weltverband auf seiner Website die Möglichkeit an, per Livestream „die Bestimmung der ausrichtenden Verbände“ zu verfolgen.
Übersetzt wurden allerdings die nicht auf Englisch gehaltenen Reden nur teilweise. Und Hinweise auf den Livestream gab es im Vorfeld auch für Medienvertreter nicht. Eine entsprechende Anfrage der taz ließ die Medienabteilung unbeantwortet. Die für 15 Uhr anberaumte Videokonferenz startete dann auch mit zwanzigminütiger Verspätung, ehe Gianni Infantino auf dem Bildschirm mit den üblichen salbungsvollen Worten auftauchte.
„Fußball verbindet die Welt mehr als alles andere“, sagte er eingangs und bezeichnete die anstehende WM-Vergabe als einen „historischen Kompromiss“. Er bedankte sich schon vor der Abstimmung bei allen Verbänden für das gegenseitige Verständnis. In einer geteilten Welt, erklärte er, sei die Fähigkeit, sich zu einigen, eine „unglaubliche Botschaft“. Infantinos Botschaft war auch klar: unterschiedliche Standpunkte im Weltverband gilt es zu vermeiden. Vor der Abstimmung forderte er das digital versammelte Wahlvolk auf: „Let’s make history.“
Ein Evaluationsbericht der Fifa, der den abstimmenden Verbandsvertretern im Vorfeld Orientierung geben sollte, hatte die Bewerbung Saudi-Arabiens mit Bestnoten (4,2 von 5 möglichen Punkten) prämiert. Die Ausrichter der WM 2030 lagen im Schnitt darunter. Die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien wurde als „mittleres Risiko“ eingestuft. Was das genau heißen soll, ob derlei Prognosen etwa wie Regenwahrscheinlichkeitsvorhersagen verstanden werden müssen, lässt der Bericht offen. Erstellt wurde er im Übrigen von S&H Clifford Chance, einem Joint Venture zweier saudi-arabischer Anwaltskanzleien.
Die 211 Fußballverbände haben sich am Mittwoch dafür entschieden, sich auf dieses „mittlere Risiko“ einzulassen. Zu verlockend ist das Geld, das aus Saudi-Arabien in den Weltfußball fließt. Es ist abzusehen, dass diese WM 2034 ebenso wie zuletzt die WM in Katar als das beste Turnier abgefeiert wird, das es jemals in der Geschichte der Fifa gegeben hat. Der Weltverband hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass alles möglich ist, was Profit verspricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Reaktionen auf Anschlag von Magdeburg
Rufe nach Besonnenheit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Bundesopferbeauftragter über Magdeburg
„Die Sensibilität für die Belange der Opfer ist gestiegen“