Fußball-Sponsor Wiesenhof: Gackern gegen Werder Bremen
Es hagelt Proteste gegen den Geflügelfabrikanten „Wiesenhof“ als möglichen Sponsor von Werder Bremen. Dabei hatte der Verein schon früher fragwürdige Geldgeber.
BREMEN taz | Noch ist nicht sicher, ob das Logo des Geflügelfabrikanten „Wiesenhof“ künftig die Trikots des SV Werder Bremen zieren wird, aber: Es kommt dafür in Frage. Soviel steht seit Mittwoch fest, und das bringt die Werder-Fans auf die Palme: Rund 9.000 unterstützten bereits gestern nachmittag die Facebook-Seite „Werder-Fans gegen Wiesenhof“. Die Tierrechtsorganisation Peta und das „Netzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ haben sich zu Wort gemeldet, die „Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft“ und Vertreter der Bremischen Bürgerschaft auch.
„Wiesenhof“, so Peta-Sprecher Edmund Haferbeck, „ist Synonym für die gesamte Geflügel-Branche, und wenn sogar Dieter Bohlen seinen Werbevertrag mit denen beendet, dann sagt das doch alles.“ Bei mehreren Staatsanwaltschaften liefen Klagen gegen den Konzern wegen Tierschutz-Verstößen und des Verdachts auf Subventionsbetrug: „Die fahren eine große Imagekampagne gegen ihren ramponierten Ruf und wollen das nun auch über Werder tun“, sagt Haferbeck.
Jan Saffe von der Grünen-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft sagt: „Ich bin richtiger Werder-Fan. Aber jetzt bin ich entsetzt und geschockt.“ Es reiche schon, dass Werder den Vertrag auch nur in Erwägung ziehe.
Der Textildiscounter Kik war von 2004 bis 2006 Werders Hauptsponsor. Der Konzern fiel durch die Behinderung von Betriebsratswahlen, schlechte Bezahlung und die Ausbeutung seiner Zulieferer in Bangladesh auf.
Die Schwergutreederei Beluga Shipping sponserte seit 2005. Werder kündigte 2011 den Vertrag, weil die Firma Insolvenz anmeldete. Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt wegen falsch ausgewiesener Umsätze im dreistelligen Millionenbereich.
Der privaten Wettanbieter bwin kam 2006/2007. Bereits im Juli verbot die Stadt Bremen die Werbung. Bei Heimspielen trugen die Werderspieler deshalb die Aufschrift "we win".
Die Citibank war Hauptsponsor von 2007 bis zur vergangenen Saison. Seit Februar 2010 hieß sie Targobank. Der internationale Finanzdienstleister verkaufte fast drei Viertel aller in Deutschland erstandenen Lehmann-Zertifikate, die die zweite, größere Welle der Finanzkrise ab 2007 mit auslösten. Über 40.000 deutsche Anleger verloren ihre Ersparnisse.
Auch Karin Garling, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, findet klare Worte: „Werder würde sich mit einer Hühnerbrust keinen Gefallen tun.“ Und Klaus-Rainer Rupp von der Linken-Fraktion sagt über den Werder-Aufsichtsrats-Vorsitzenden Willi Lemke: „Er ist UN-Sportbotschafter – will er jetzt auch noch Botschafter für Massentierhaltung werden?“
Der Konzern hinter Wiesenhof produziert mehr als 270 Millionen Hühner pro Jahr. Spätestens seit der ARD-Dokumentation „Das System Wiesenhof“ ist vielen Menschen der Appetit darauf vergangen. „Ich plane, diesen Film zu zeigen und sowohl Werder-Spieler als auch den Geschäftsführer und Trainer dazu einzuladen“, sagt Saffe. Ein solcher Sponsor könne der ganzen Stadt Schaden zufügen.
Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Heiko Strohmann lässt über seinen Sprecher ausrichten, er sei „überrascht über diese Einmischung“. Schließlich habe einzig der Verein über einen Sponsor zu entscheiden. Er erinnere außerdem daran, dass sich keine Fraktion über den ehemaligen Werder-Sponsor Kik aufgeregt hätte, obwohl der seine Kleidung unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren ließe. „Vielleicht“, sagt Rupp, „ist mit Wiesenhof ja eine Grenze erreicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen