Fußball-EM der Frauen: Mit Hunger und Prinz
Trainerin Martina Voss-Tecklenburg hat den vorläufigen Kader der DFB-Auswahl vorgestellt. Ex-Spielerin Birgit Prinz ist als Psychologin dabei.
Hungrig immerhin wollen sich die Deutschen zeigen. Voss-Tecklenburg sagte dazu: „Wir gehören vielleicht nicht mehr zu den Topfavoriten.“ Bereits in der Gruppenphase bekommt es ihr zuletzt in der WM-Qualifikation von Serbien besiegtes Ensemble mit Vize-Europameister Dänemark (8. Juli) und Mitfavorit Spanien (12. Juli) zu tun; zwei Teams, die neben Gastgeber England, Titelverteidiger Niederlande, Frankreich und Schweden als Titelanwärter gelten.
„Das gab es in der Form noch nie, so viele Nationen auf dem Schirm zu haben“, bemerkte die Bundestrainerin, die 125 Länderspiele in Zeiten bestritt, als eigentlich immer Deutschland Europameister wurde. Die Kräfteverhältnisse haben sich radikal verschoben: Das DFB-Team muss aufpassen, dass vor dem letzten Gruppenspiel gegen Finnland (16. Juli) nicht schon alles vorbei ist. Voss-Tecklenburg („traue dem Team vieles zu“) ist viel zu sehr Optimistin, um sich mit solch düsteren Szenarien auseinanderzusetzen.
Die 54-Jährige trägt enorme Vorfreude in sich, wenn es in der neuen DFB-Akademie mit einem Pre-Camp (5. bis 9. Juni) losgeht. Dabei werden die viel belasteten Spielerinnen des VfL Wolfsburg oder Sara Däbritz von Paris St.-Germain noch geschont. Unbedingt dabei sein wollte Alexandra Popp, die nach langer Verletzungspause an der Fitness feilen wird: Der im Sturm eingeplanten Kapitänin werden alle Türen in die Stammelf offen gehalten, auch weil die 31-Jährige als Wortführerin geschätzt wird.
Almuth Schult in der Reserve
Für Torhüterin Almuth Schult als zweite Meinungsmacherin hat sich hingegen die Hoffnung so gut wie zerschlagen, in England zwischen den Pfosten zu stehen – an Merle Frohms von Eintracht Frankfurt kommt die 31-Jährige nicht mehr vorbei. „Merle ist seit drei Jahren die Nummer eins. Von daher ändert sich an diesem Status gar nichts“, betonte Voss-Tecklenburg. „Sie hat bei uns drei Jahre sehr gute bis herausragende Leistungen gezeigt.“ Die 27-Jährige kann diesen Zuspruch vor ihrem ersten Turnier gewiss gut gebrauchen.
Voss-Tecklenburg weiß, dass Mannschaft und Trainerteam insgesamt besser harmonieren müssen als bei der WM 2019 in Frankreich, um diesmal ins Halbfinale zu kommen – erst recht, wenn es im Viertelfinale bereits gegen England gehen sollte. Es wird im Basisquartier in Brentford im Westen von London letztlich darauf ankommen, die Balance zwischen An- und Entspannung hinzubekommen. Vor dem zweiten Trainingslager in Herzogenaurach (21. bis 29. Juni) und dem Testspiel gegen die Schweiz in Erfurt (24. Juni) wird das Aufgebot auf 23 Akteure reduziert.
Das Gerüst stellen der Doublesieger VfL Wolfsburg und Vizemeister FC Bayern mit je acht und Eintracht Frankfurt mit sechs Spielerinnen, wobei speziell die Frankfurter Entwicklung die Bundestrainerin beeindruckt. „Der Verein hat sich geöffnet.“ Es sei großartig gewesen, dass die Eintracht-Frauen die Reisen zu den Europa-League-Spielen der Männer nach Barcelona und Sevilla mitmachen konnten. Ähnlich stimmungsvoll soll es ja auch in England werden, wo sich „volle Stadien, großartige Spiele mit herausragenden Spielerinnen“ ankündigen, wie Voss-Tecklenburg prophezeite.
Dass ihr Team im öffentlichen Brennglas nicht den Fokus verliert, dafür soll Birgit Prinz sorgen. Die Rekordtorjägerin reist als Sportpsychologin mit und sei „ein absoluter Mehrwert für die Gruppe“. Die 44-Jährige werde „bei jeder Besprechung dabei sein, jede Spielerin kann von ihr profitieren“. Und eine Birgit Prinz weiß, wie Titel gewonnen werden. Zu ihrem letzten internationalen Triumph, dem EM-Gewinn 2009, schoss sie im Finale gegen England (6:2) in Helsinki selbst noch zwei Tore. Da waren die Bornheimer Mädels noch gar nicht auf der Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen