Furtwängler-Tatort in der ARD: „Top Gun“ in Niedersachen
Eine tote Pilotengattin, ein toter „Bild“-Chefredakteur, viele Overalls und Sonnenbrillen. Willkommen bei der Luftwaffe, Frau Lindholm!
Wie schaffe ich es als mittelmäßiger „Tatort“ höchste Aufmerksamkeit vor der Ausstrahlung zu bekommen? Ich hol mir einen Promi als Leiche! Das Modell könnte Schule machen. Leider.
In der 40. Minute des Films kommt der große Auftritt (oder besser: das große Aufliegen) von Kai Diekmann, dem Chefredakteur der Bild. Er ruht als Prüfungsobjekt für die StudentInnen auf einer Bahre in der Pathologie. Die Bauchdecke ist offen. Sieht aus wie geplatzt. „Bei dem ist richtig was schief gelaufen“, sagt der Rechtsmediziner.
Mit diesem „Tatort“ allerdings auch. Mit dem Fall, den die niedersächsische LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) zu lösen versucht, hat der tote Diekmann jedenfalls nichts zu tun. Gar nichts. Ihr Fall liegt auf der Bahre daneben: Lore Körner, erschlagen mit einem Ast. Ex-Frau von Jan Körner (Gerdy Zint), Soldat beim Lufttransportgeschwader 62. Er hatte sie gefunden, als er in ihrem heruntergekommenen Landhaus noch ein paar Sachen abholen wollte. Blut tropfte durch die Ritzen der geschlossenen Dachluke. Als er sie öffnete, plumpste ihm seine Ex-Frau vor die Füße.
Hat Jan Körner sie auch umgebracht? Lindholm muss eintauchen in das Leben im Fliegerhorst. Da trägt man natürlich Pilotenbrillen und Overall. „Top Gun“ in Wunstorf. Und dann dieser schneidige Oberst mit der tiefen Stimme. Lindholm ist (auch gekühlt streichbare) Butter in seinen Händen.
Massenware
Doch im Gegensatz zu „Top Gun“ ist dieser „Tatort“ – abgesehen von ein paar guten Bildideen wie der Dachluke oder dem Finale – Massenware: ein verdächtiger Ex-Mann, ein verdächtiger Liebhaber, nach einer guten Stunde ein Geständnis, das selbstverständlich nicht stimmt, was die Kommissarin natürlich sofort durchschaut, aber der Staatsanwalt nicht und so weiter. Hunderte Male gesehen.
Niedersachsen-„Tatort“: „Spielverderber“, Sonntag, 22.11.2015, 20.15 Uhr, ARD
Eigentlich hätte an diesem Sonntag Til Schweigers Doppel-„Tatort“ starten sollen, in dem es um einen Terroranschlag geht. Die ARD hat ihn „aus Respekt vor den Opfern der grausamen Anschläge von Paris“ verschoben. Sicher, ein solcher Schweiger-Haudrauf-„Tatort“ hätte die Zuschauer verstören können. Also wird das Kontrastprogramm gesendet: Wenn diese 90 Furtwängler-Minuten rum sind, hat Fernseh-Deutschland mit Sicherheit die nötige Bettschwere für einen geruhsamen Schlaf. Insofern: gute Wahl und gute Nacht.
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