Führungswechsel bei Labour: Corbyns Programm bleibt relevant
Der Abschied von Labour-Chef Jeremy Corbyn könnte eine Kehrtwende der Partei einleiten. Für Großbritannien und die Sozialdemokraten wäre das fatal.
E r war der beste Labour-Chef, den die Partei je hatte. 71 Prozent der Mitglieder stimmten bei einer Umfrage in der Partei für Jeremy Corbyn. Dabei hatte Labour bei den Wahlen im Dezember ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1935 eingefahren. An Corbyns Programm lag es nicht. Nach seiner Wahl zum Parteichef 2015 und der Vorstellung seines radikalen Kurses stieg die Mitgliederzahl von knapp 200.000 auf mehr als 550.000. Viele ehemalige Genossen kehrten zurück.
Hatte man bis dahin die Tories in vielen Punkten kopiert und sich Einwanderungskontrollen und Austerität und Haushaltskürzungen auf die Fahnen geschrieben, so versprach Corbyn die Bekämpfung der Klimakrise, die Einführung der 32-Stunden-Woche, einen höheren Mindestlohn, die Abschaffung der Studiengebühren, eine faire Besteuerung der Multis und die Teilverstaatlichung der Infrastruktur. Mit dem neuen Programm verzeichnete Labour 2017 den größten Stimmzuwachs seit 1945.
Vielen machte das Angst, und zwar nicht nur bei den Tories, bei den Reichen und bei weiten Teilen der Medien, sondern auch in den Reihen der eigenen Partei. Das Resultat war eine massive Verleumdungskampagne gegen den Chef. Dass Corbyns Gegner schließlich Erfolg hatten, lag vor allem am Brexit. Fast alle Wahlkreise, die Labour an die Tories verlor, hatten 2016 für den Brexit gestimmt.
Bei den nächsten Wahlen geht es jedoch nicht mehr um den Brexit, sondern um fehlende Investitionen für den Gesundheitsbereich, die Corbyn stets angeprangerte und die aktuell dazu führen, dass Großbritannien auf eine Katastrophe zusteuert. Der neue Labour-Chef Keir Starmer wird Corbyns Programm weitgehend einmotten. Vor ihm muss das Establishment so wenig Angst haben, wie es vor Tony Blair hatte. Bei der Umfrage, bei der Corbyn zum besten Labour-Chef aller Zeiten gewählt wurde, landete Blair mit 37 Prozent übrigens auf dem letzten Platz.
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