Frühjahrsklassiker im Radsport: Die Ecken der runden Sache
Von Strade Bianche bis Lüttich–Bastogne–Lüttich: Die ersten Rad-Rennen des Jahres waren härter denn je.
Manchmal ist Geschichte gerecht. So sah es jedenfalls Christoph Roodhooft, Teamchef des Weltmeisters Mathieu van der Poel. Der stand am Ende der diesjährigen Klassikersaison gemeinsam mit Tadej Pogacar auf dem Podium des letzten Monuments Lüttich–Bastogne–Lüttich.
Sein Schützling zog am Sonntag zwar den Kürzeren gegenüber Pogacar. Der Slowene entschied mit einer 35 Kilometer langen Soloattacke das Rennen. Van der Poel, zuvor Sieger der Flandernrundfahrt und von Paris–Roubaix, gewann den Sprint einer Verfolgergruppe und wurde Dritter. Aber das war das maximal Mögliche an diesem Tag, wie der Niederländer selbst eingestand.
Pogacar hingegen rahmte das Frühjahr ein. Schon beim Auftakt, den Strade Bianche, überzeugte er mit einer Soloflucht. Verrückte 81 Kilometer dauerte die an und hinterließ konsternierte Kontrahenten. Die insgesamt 116 Fluchtkilometer des Slowenen toppte allerdings noch van der Poel mit 149 Kilometer vor dem Feld – 44 Kilometer bei seinem Sieg beim Halbklassiker E3 sowie 45 bei Flandernrundfahrt und 60 Kilometer bei Paris–Roubaix. Bei der Flandernrundfahrt schien er mit seinem eleganten Fahrstil regelrecht über den glitschigen Hellingen hinwegzuschweben, während die Kontrahenten entweder stürzten oder schoben.
Leider trafen die beiden Dominatoren nur zwei Mal direkt aufeinander. Bei Lüttich–Bastogne–Lüttich setzte sich Pogacar durch, bei Mailand–Sanremo erwies sich van der Poel als Taktikfuchs, tat alles für den Sieg seines Teamkollegen Jasper Philipsen, weshalb sich Pogacar an der italienischen Riviera mit Rang 3 begnügen musste.
Dass Pogacar nicht mehr Rennen fuhr und das mit drei Siegen auffälligste Team Alpecin Deceuninck um van der Poel und Philipsen nicht öfter herausforderte, liegt an seinem großen Saisonziel. Er peilt das Double aus Giro d’Italia und Tour de France an und reduzierte daher seine Wettkampfkilometer. Die Beschränkung erwies sich im Nachhinein sogar als Glück. Denn Pogacar wie auch van der Poel verzichteten auf den Flèche Wallonne. Statt sich dort Frostbeulen zu holen, trainierten sie vergnügt im heißen Spanien. Wer indes die Ardennenwoche komplett mitnahm, war einem Kälteschock ausgesetzt.
Kältschock in den Ardennen
Für die dramatischsten Bilder sorgte dabei der Däne Mattias Skjelmose. Er musste vom Rad getragen werden. Sein Körper zitterte vor Kälte. Die erstarrten Gliedmaßen verharrten in der Position, die sie auf dem Rad noch eingenommen hatten. Die Bilder waren derart erschreckend, dass sein Team Lidl Trek sich kurz darauf zur Entwarnung veranlasst sah. „Heiße Dusche, heißer Tee und die warme Luft im Teambus“ hätten gewirkt, hieß es. Nur 44 Fahrer von ursprünglich 175 erreichten überhaupt das Ziel. Team UAE Emirates stieg komplett aus – auch weil Pogacars Helfer für das nächste Rennen Kräfte sparen wollten.
Das Kälterennen in Wallonien wurde daher zur Bühne der Außenseiter. Das norwegische Pro Continental Team Uno-X brachte alle sieben Fahrer ins Ziel und erreichte mit Platz 6 einen Achtungserfolg. Sieger wurde der Brite Stephen Williams. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen war er zufrieden mit den Bedingungen. „Ich genieße es, bei so einem Wetter zu fahren“, meinte er, zusätzlich beglückt natürlich durch seinen Erfolg. Durchaus erfolgreich verlief die Frühjahrskampagne auch für den Kölner Nils Politt mit Platz 3 in Flandern und Platz 4 in Roubaix.
Nicht eingreifen in den Kampf um die Monumente konnten Primoz Roglic und Remco Evenepoel. Die beiden früheren Sieger von Lüttich–Bastogne–Lüttich laborieren weiter an den Sturzverletzungen der Baskenlandrundfahrt im April.
Weil es auch bei den Klassikern zahlreiche Stürze gab, flammte die Sicherheitsdebatte erneut auf. Neuer Aspekt hier ist, dass erfahrene Profis wie eben van der Poel und Pogacar den Jüngeren vermehrt ins Gewissen reden, weniger riskant zu fahren, um so Unfälle zu vermeiden.
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