Früher Polizist, heute CDU-Politiker: Ganz normal konservativ?
Bernd Merbitz war ein Polizist, der gegen Rechte kämpfte. Nun kämpft er für die Sachsen-CDU. Und ist, scheint es, fast ein bisschen langweilig geworden.
Merbitz zählt zu den wenigen Polizisten, die sich positionieren, wenn es um die extreme Rechte geht. Im Jahr 2000 sagt der damalige CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, Sachsen sei immun gegen Rechtsextremismus. Da lebt parallel das untergetauchte NSU-Kerntrio im Freistaat, verübt im gleichen Jahr seinen ersten Mord. Merbitz hat da schon fast zehn Jahre lang rechte Verbrechen aufgeklärt. Früh warnt er: „Vom Rechtsextremismus zum Rechtsterrorismus ist es nur ein ganz kleiner Schritt.“ Dafür sei er von vielen niedergemacht worden.
1956 in Thüringen geboren, begann Merbitz’ Karriere bei der Mordkommission. Trotz früherer SED-Mitgliedschaft gelingt ihm in den Neunzigern ein schneller Aufstieg. Als die Polizei bei den Pogromen in Hoyerswerda den rechten Mob nicht unter Kontrolle bekommt, übernimmt Merbitz die Leitung der neuen „Soko Rex“. Als Ermittler kämpft er gegen Neonazis, lässt rechte Konzerte auflösen und wird als „Nazi-Jäger“ von der Szene gehasst. Heute fragt er: „Wo sind denn jetzt die Aufschreie? Haben wir Hoyerswerda vergessen?“ Der Mord an Walter Lübcke habe ihn eiskalt durchfahren.
2007 wird Merbitz erneut befördert, nun ist er Polizeipräsident von Sachsen. Er arbeitet eng mit Verbänden für Opfer von Rassismus und Antisemitismus zusammen – 2009 verleiht ihm der Zentralrat der Juden die Paul Spiegel-Medaille. In Interviews erzählt er, wie seine Arbeit ihn zum Weinen bringt. Drei Jahre später degradiert ihn der damalige CDU-Innenminister Markus Ulbig zum Polizeichef von Leipzig.
In Leipzig war Merbitz zuletzt wegen Großeinsätzen gegen kleine Dealer umstritten. PolitikerInnen wie Juliane Nagel von der Linken warfen ihm vor, er nutze sein Amt aus, um sich für die Landtagswahl zu profilieren. Denn Merbitz will kein Polizist mehr sein, sondern Politiker. Seit 2000 ist er in der CDU. Nun kandidiert er in Nordsachsen. Merbitz hatte das im Herbst bekanntgegeben, ging aber erst im Februar als Polizist in Rente.
Bernd Merbitz war früher der Mann mit den langen Haaren, der trotzdem bei der Polizei anfing. Er wurde der Polizist, der gegen Rechte kämpft, als viele keine Probleme sahen. Als CDUler ist er dann aber doch: ganz normal konservativ. Wenn er gewählt wird, möchte er mehr Macht für die Polizei. Die Telekommunikationsüberwachung soll ausgebaut werden, die Polizei mehr Stellen bekommen. Fragt man ihn, ob Sachsens Polizei von Rechten unterwandert wird, bekommt man die Standardantwort: „Einzelne gibt es natürlich, und gegen die müssen wir konsequent vorgehen. Das tun wir.“
Sechs Wochen im Osten: Vor der Landtagswahl in Sachsen am 1. September 2019 war die taz in Dresden. Seit dem 22. Juli waren wir mit einer eigenen Redaktion vor Ort. Auch in Brandenburg und Thüringen sind bzw. waren wir vor den Landtagswahlen mit unserem #tazost-Schwerpunkt ganz nah dran – auf taz.de, bei Instagram, Facebook und Periscope. Über ihre neuesten Erlebnisse schreiben und sprechen unsere Journalist*innen im Ostblog und im Ostcast. Begleitend zur Berichterstattung gibt es taz Gespräche in Frankfurt (Oder), Dresden, Wurzen und Grimma. Alle Infos zur taz Ost finden Sie auf taz.de/ost.
Merbitz spricht sich gegen eine Koalition der CDU mit der AfD aus und für eine offene Flüchtlingspolitik: Ein reiches Land wie Deutschland müsse sich Menschlichkeit leisten. Bei rechten Aufmärschen schrien Demonstranten daher auch: Merkel muss weg, Merbitz muss weg. „Wenn Sie in der Hosentasche die Faust geballt haben und trotzdem die Contenance bewahren müssen – das ist schwer.“ Er sagt aber auch: „Wir haben es nicht verstanden, vernünftig zu reden und zu antworten.“
Als Polizist ist Merbitz durch Jugendklubs von links nach rechts gezogen. Als Wahlkämpfer besucht er Kneipen und Lokale. Sein Lieblingsbuch heißt übrigens: „Die Entscheidung liegt bei dir – Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus