Frontex schickt Rechnung an NGO: Teure Transparenz

Frag den Staat soll fast 24.000 Euro für eine verlorene Auskunftsklage an Frontex zahlen. Die Aktivisten wollen sich nicht unter Druck setzen lassen.

Menschen sitzen nachts in einem Schlauchboot auf dem Meer

Migranten aus Afghanistan, die von Frontex gerettet wurden Foto: Giorgos Moutafis/reuters

Die NGOs Frag den Staat und Corporate Europe Observatory (CEO) sollen 23.700 Euro an die EU-Grenzschutzagentur Frontex zahlen, weil sie eine erfolglose Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt haben. Laut einer Zahlungsaufforderung, die Frontex an Frag den Staat geschickt hat, ist das die Summe, die Frontex für externe Anwälte ausgegeben hat, um sich gegen die Informationsfreiheitsklage zu wehren. Näher aufgeschlüsselt ist der Betrag nicht. Eine derartige hohe Gebühr ist ein völliges Novum für solche Streitfälle.

„Wir sehen das als Versuch, uns und andere NGOs von weiteren Anfragen und Klagen abzuhalten“, sagt Frag-den-Staat-Projektleiter Arne Semsrott. Der Vorgang sei „Teil einer breiter angelegten Strategie, öffentliche Kontrolle über Frontex-Aktivitäten nicht zuzulassen“.

Frag den Staat und die spanische Juristin Luisa Izuzquiza von der lobbykritischen NGO Corporate Europe Observatory hatten auf Grundlage der „Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU“ wissen wollen, wie die Schiffe hießen, die Frontex zwischen dem 1. Juni und dem 30. August 2017 im Rahmen der Operation „Triton“ im zentralen Mittelmeer eingesetzt hatte. Sie erbaten Auskunft, um welche Schiffstypen es sich handelte und unter welcher Flagge sie fuhren. Das war unter anderem deshalb von Bedeutung, weil strittig ist, inwieweit Frontex überhaupt ernsthaft geplant hatte, in dem Seegebiet Rettungseinsätze zu unternehmen, und dafür ausgerüstete Schiffe geschickt hatte.

Frontex lehnte die Anfrage noch am selben Tag ab und berief sich auf Ausnahmetatbestände, die in der Verordnung festgelegt sind. Die Agentur argumentierte, die angefragten Informationen würden es kriminellen Netzwerken und Schleppern ermöglichen, sich über die aktuelle Position ihrer patrouillierenden Schiffe zu informieren, indem sie mit öffentlichen Schiff-Tracking-Portalen abgeglichen werden. Frag den Staat und CEO klagten gegen die Ablehnung – und verloren. Frontex muss die Details über die Schiffe aus Rücksicht auf seine Operationen nicht offenlegen, entschied das Gericht der Europäischen Union (EuG) im November 2019.

Keine festen Gebührensätze

„Das Gerichsturteil sagt pauschal: Die Kosten für den Rechtsstreit tragen wir“, sagt Semsrott. In ähnlichen Auseinandersetzungen, beispielsweise mit der EU-Kommission, werde unterlegenen Fragestellern aus der Zivilgesellschaft nichts in Rechnung gestellt. Wenn externe Anwaltskosten etwa gegenüber Unternehmen geltend gemacht würden, handele es sich höchstens um einen „angemessenen Betrag, 5.000 bis 10.000 Euro“, so Semsrott. Eine feste Gebührentabelle gebe es auf EU-Ebene nicht. Bei vergleichbaren Rechtsstreits in Deutschland werde ein Streitwert von 5.000 Euro festgelegt. Dann entstünden nur Anwaltskosten von etwa 500 Euro.

Frontex versuche nun mit den monströsen Anwaltskosten „ganz klar Abschreckung“ zu betreiben, sagt Semsrott. „Die brauchen das Geld nicht, die haben ein Milliardenbudget und Dutzende eigene Juristen. Externe hätten sie nicht nehmen müssen.“ Die Agentur sei „notorisch intransparent bei allem Auskunftsersuchen, die mauern, wo sie können. Die geben so wenig raus, wie sie können, und wollen es Antragstellern so schwer machen, wie es geht.“ Der Machtzuwachs von Frontex gehe „nicht einher mit höherer öffentlicher Kontrolle“.

Die Zahlungsfrist für die 23.700 Euro läuft am Freitag aus. „Wir werden nicht zahlen“, sagt Semsrott. „Frontex muss dann sehen, was sie machen – zurückziehen oder vor Gericht gehen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Frontex sich nicht in die Karten schauen lassen will. Schon 2016 hatte das Europäische Zentrum für Grund- und Verfassungsrechte (ECCHR) versucht herauszufinden, ob Frontex ab 2006 im „Hera“-Einsatz vor den Kanarischen Inseln womöglich Tausende Afrikaner rechtswidrig nach Mauretanien gebracht hatte, ohne dass diesen Gelegenheit zur Asylantragstellung gegeben worden wäre. Erst als das ECCHR rechtliche Schritte androhte, gab Frontex die fraglichen Dokumente „heftig zensiert“ und geschwärzt frei, so das ECCHR. Die von Frontex selbst angelegte „Liste potenzieller Menschenrechtsverletzungen“ war komplett entfernt worden. Frontex begründete die Schwärzungen gegenüber dem ECCHR genau wie heute mit einer „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.