Frontex-Chef tritt ab: Leggeri verlässt Frontex

Über Jahre war die Agentur an illegalen Pushbacks an den EU-Außengrenzen beteiligt. Die Öffentlichkeit wurde darüber getäuscht.

Frontex Direktor Gabrice Leggeri

Fabrice Leggeri gab am Freitag seinen Rücktritt bekannt Foto: Hristo Russev/Getty Images

BERLIN taz | Den Hut nahm er, entschuldigen mochte er sich nicht: Nach sieben Jahren an der Spitze der EU-Grenzschutzagentur Frontex reichte der Franzose Fabrice Leggeri, 53, am Freitag seinen Rücktritt ein. Seine Begründung erstaunt: „Ich gebe mein Amt zurück, weil es aussieht, als ob das Frontex-Mandat, für das ich gewählt wurde, leise, aber effektiv verändert wurde.“

Es ist die letzte einer kaum mehr zu überblickenden Zahl an Lügen und Verdrehungen, die vor allem die letzten Amtsjahre Leggeris prägen. Das „Mandat“ der Agentur ist unverändert. Leggeri geht, weil Frontex unter seiner Führung nicht nur immer größer und mächtiger wurde, sondern immer systematischer Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten hat – und dabei immer öfter erwischt wurde.

Es waren vor allem Recherchen eines Investigativteams des Spiegels und der NGO Lighthouse Reporting, die sich ab 2020 minutiös mit den Verstrickungen von Frontex in die illegalen Zurückschiebungen an den EU-Außengrenzen befassten. Die Agentur selbst hatte lange jede Beteiligung an diesen zurückgewiesen und die Verantwortung – sofern es erdrückende Beweise für die Pushbacks gab – den nationalen Grenzschützern zugeschoben.

Eine Zeit lang waren es tatsächlich vor allem diese, die in der Ägäis, am Evros, in Kroatien, Spanien oder Polen in erster Linie hinter den Pushbacks stecken. Doch je stärker die Frontex-Präsenz an den Außengrenzen wurde, umso häufiger waren die EU-Grenzschützer bei den Pushbacks dabei oder verhinderten diese nicht. Die journalistischen Recherchen, die Leggeri nun letztlich zu Fall brachten, waren auch deshalb möglich, weil immer öfter Flüchtende mit ihren Handys filmen konnten, was ihnen angetan wurde – und von wem.

So wurde sichtbar, wovon sonst nur aus zweiter Hand die Rede war: nackte Gewalt ­gegen Menschen in höchster Not, auf der Suche nach Zuflucht. Als sich ab 2020 Video-Belege und Medienberichte häuften, setzte das EU-Parlament eine Arbeitsgruppe ein, die der Agentur schon vor einem Jahr mit Budgetkürzungen drohte und die Entlastung für das Haushaltsjahr 2019 verweigerte. Wegen der schleppenden Aufklärung von Vorwürfen kamen besonders aus dem EU-Parlament wiederholt Rücktrittsforderungen an Leggeri.

Frontex-Einsätze gegen Geflüchtete falsch verortet

Auch die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf ermittelte zu „Vorwürfen im Zusammenhang mit Mobbing und Belästigung, Fehlverhalten und Zurückweisungen von Migranten“. Das Fass zum Überlaufen brachte nun offenbar der jüngste Spiegel-Bericht über frisierte Einträge in einer internen Frontex-Datenbank namens „Jora“. Darin wurden Frontex-Einsätze gegen Flüchtlingsboote in der Ägäis falsch verortet.

Diese hatten sich tatsächlich in griechischen Hoheitsgewässern abgespielt – in der Datenbank wurden sie aber türkischen Gewässern zugeordnet, um nicht als Pushbacks erkennbar zu sein. Leggeri hatte die Agentur 2015 von dem Spanier Gil Arias übernommen. Unter seiner Ägide stockte die EU das Frontex-Budget immer weiter auf und erweiterte die rechtlichen Befugnisse, etwa bei Abschiebungen.

Zu seinen wichtigsten Projekten gehörte, die zeitlich begrenzte Ausleihe nationaler Grenzbeamter für einzelne Missio­nen durch ein „Standing Corps“ aus 10.000 europäischen Grenz­schüt­ze­rn zu ersetzen. Das soll 2027 in voller Stärke einsatzfähig sein. Kommandieren wird es nun ein an­der­er. Der Frontex-Verwaltungsrat unter dem deutschen Bundespolizisten Alexander Fritsch muss einen Nachfolger für Leggeri suchen.

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