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Friedrichshain-KreuzbergWer spielt hier wen aus?

Um den Bezirkshaushalt von Friedrichshain-Kreuzberg gibt es grün-linken Zoff. Die Linken haben ihn zusammen mit SPD und CDU beschlossen.

Immerhin brennt noch Licht: Rathaus Kreuzberg an der Yorckstraße, Sitz der BVV Foto: IMAGO / Sabine Gudath

Berlin taz | Auch wenn das Abgeordnetenhaus noch nicht den Landeshaushalt für die Jahre 2026 und 2027 verabschiedet hat, müssen die 12 Berliner Bezirke bereits ihre Etats für denselben Zeitraum aufstellen und von den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) beschließen lassen. In Friedrichshain-Kreuzberg hat dieser Vorgang zu einem handfesten Zerwürfnis zwischen den Fraktionen von Grünen und Linken geführt. Stein des Anstoßes: Die Linke hat den Bezirkshaushalt zusammen mit der SPD und der CDU in der BVV gegen die Stimmen der Grünen beschlossen – zusammen mit Änderungsanträgen, die Einschnitte für die grünen BezirksstadträtInnen bedeuten.

Die Grünenfraktion ist not amused: Immerhin hat sie in der BVV noch eine satte relative Mehrheit, die in diesem Fall aber nicht ausgereicht hat. In einer Pressemitteilung bezeichnet sie die Linksfraktion nun als „Steigbügelhalter der schwarz-roten Sparkoalition auf Landesebene“: Sie habe einen „Kahlschlag für die soziale und kulturelle Infrastruktur im Bezirk“ zu verantworten, indem sie zusammen mit Sozial- und ChristdemokratInnen die „solidarische Verteilung der Haushaltsmittel auf alle Abteilungen zugunsten einer massiven Bevorzugung der eigenen Bereiche aufgegeben“ habe.

Genau genommen geht es nicht um direkte Mittelkürzungen, sondern um die Verschiebung der „Pauschalen Minderausgaben“ – Sparvorgaben von mehreren Millionen Euro, die das Land macht und die von den Bezirken irgendwie über die Haushaltsperiode hinweg umgesetzt werden müssen. Laut Sarah Jermutus, grüne Fraktionschefin in der BVV, müssen diese nun „nicht mehr vom Bereich Jugend, aber dafür umso mehr von der Kultur und der Stadtentwicklung erbracht werden. Das ist insbesondere bei der Kultur eine Katastrophe, wo schon auf Landesebene massiv gekürzt wird.“

Für die Grünen sei klar, „dass auch kulturelle Bildung ein Teil der sozialen Infrastruktur ist“, sagt Jermutus zur taz. „Familien mit wenig Geld sind etwa auf bezirklichen Musikunterricht angewiesen.“ Mit dem beschlossenen Haushalt müssten aber 20 MusiklehrerInnen gehen, so die Grünen. Auch Bibliotheken als niedrigschwellige Angebote seien betroffen. „Man kann nicht das eine gegen das andere ausspielen“, findet die Fraktionschefin. Kulturelle Bildung wird im Bezirk von Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) verantwortet, Soziales liegt bei der Linken, Jugend bei der CDU.

Den Ball spielt Linken-Fraktionschef René Pérez Domínguez gerne zurück. „Wenn die Grünen das so sehen, tun sie ja genau das: Sie spielen das eine gegen das andere aus.“ Trotz der strukturellen Unterfinanzierung der Bezirke durch das Land setze der nun beschlossene Haushalt „dort an, wo die Menschen im Bezirk uns am Dringendsten brauchen. „Investitionen in die Jugend, eine starke soziale Infrastruktur sowie wirksame Maßnahmen gegen Mietwucher und Verdrängung“ sind laut der Linken die Schwerpunkte, die nun gestärkt wurden.

Straßenarbeit oder Musikunterricht?

Dass die nun erfolgte Umverteilung von rund 1,5 Millionen Euro auch Einschnitte bei sinnvollen Angeboten bedeutet, ist den Bezirks-Linken durchaus klar. Hört man sich bei ihnen um, heißt es aber, es sei eben eine notwendige politische Schwerpunktsetzung, ob man bei der Jugendarbeit für Kinder in Not kürze oder beim Angebot von Musikschulen.

Das per Änderungsatrag aufgesetzte Plus von 460.000 Euro für aufsuchende Straßensozialarbeit – neben anderen Posten – rechnen Linke, SPD und CDU teilweise durch Verschiebung der Pauschalen Minderausgaben auf die Budgets von Clara Herrmann und Stadtentwicklungsstadtrat Florian Schmidt (Grüne) gegen. Sie planen aber auch Mehreinnahmen ein, die der Bezirk durch die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in den kommenden beiden Jahren einnehmen dürfte.

Die Linken behaupten auch, die Grünen hätten sich geweigert, wegen der strukturellen Unterfinanzierung des Bezirks überhaupt am Haushalt zu arbeiten – der immerhin von der grünen Bezirksbürgermeisterin aufgestellt wurde. Das sei „Realitätsverweigerung und ein Armutszeugnis“. Die Grünen bestreiten dies: „Wir haben das Gespräch mit allen demokratischen Fraktionen gesucht“, sagt Sarah Jermutus, „aber es waren die Linke und die SPD, die am Ende nicht mit uns darüber sprechen wollten, sondern sich lieber mit der CDU zusammengetan haben.“

Wie dem auch sei: Die jüngste Posse um den gescheiterten Versuch, die Wahlkreise im Bezirk zugunsten der Grünen neu zuzuschneiden, dürfte das Klima zwischen ihnen und den Linken nicht gerade verbessert haben.

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