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Friedensvertrag für TigrayKollektives Leid, kollektiver Hass

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Kann ein von oben verordneter Friede die Gewalt in Äthiopien beenden? Das ist ungewiss. Trotzdem verdient der neue Vertrag entschlossene Unterstützung.

Pretoria, 2. November: Vertreter der äthiopischen Regierung und der TPLF unterzeichnen den Friedensvertrag Foto: Alet Pretorius/epa

E s gibt gute Gründe, auf den Friedensschluss zwischen Äthiopiens Regierung und den TPLF-Rebellen in der Region Tigray mit großer Skepsis zu regieren. Nachdem beide Seiten zwei Jahre lang ihre Soldaten verheizt haben und ihren Krieg zum Kampf ums Überleben erklärten, reicht es nicht, sich eine Woche lang in Südafrika als „Brüder“ anzusprechen und den sofortigen Frieden auszurufen. Das entspricht zwar dem traditionell autoritären äthiopischen Politikverständnis, in dem alles von ganz oben entschieden und nichts dem Volk erklärt wird, aber es war ja nicht nur ein Krieg zwischen zwei Machteliten, sondern Millionen von Menschen mussten daran teilnehmen und haben darunter gelitten.

Kollektives Leid gerät nicht per Federstrich in Vergessenheit, und kollektiver Hass lässt sich nicht nach politischer Opportunität abstellen. Diejenigen, die jetzt miteinander von Frieden und Versöhnung schwadronieren, sind dieselben, die vor zwei Jahren gegeneinander in die Schlacht zogen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Und dennoch ist der Tigray-Friedensvertrag von Pretoria ein historisches Ereignis, das globale Unterstützung erfordert. In einem außerordentlich brutalen Konflikt, wo noch vor Kurzem alles nach einer immer blutigeren Eskalation aussah, ist es Vermittlern der Afrikanischen Union gelungen, die Konfliktparteien nicht nur an einen Tisch zu bringen, sondern ihnen auch außerordentlich weitreichende gegenseitige Verpflichtungen abzuringen. Ihnen gebührt Anerkennung dafür, auch gegen große Widerstände nicht lockergelassen zu haben.

Die Unterzeichnung war dabei der einfachste Teil. Das Friedensabkommen tatsächlich umzusetzen – diese Mammutaufgabe kann nicht der Afrikanischen Union überlassen werden, die nicht für Expertise auf diesem Gebiet bekannt ist. Regierungen weltweit haben das Abkommen begrüßt. Jetzt müssten sie mit einem entschlossenen Unterstützungsangebot nachlegen, das den Friedensprozess für beide Seiten unumkehrbar macht.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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3 Kommentare

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  • Mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen der äthiopischen Regierung und der TPLF (Tigrei) kann das Volk jetzt aufatmen. Meiner Meinung nach es ist wichtig dass die TPLF-Armee entwaffnet wird (Artikel 6 des Friedensvertrages). Viel Blut ist geflossen. Viel Leid haben die Menschen erfahren. Es ist unwichtig von wem der Frieden kommt. Wichtig ist dass der Frieden da ist. Die Versöhnung wird lange dauern aber er ist machbar. Es ist richtig dass das kollektive Leid nicht per Federstrich in Vergessenheit gerät aber Frieden ist der erste Schritt damit kollektives Leid gemindert wird. Für Äthiopien war es sehr wichtig dass die Verhandlungen unter der Federführung der afrikanischen Union statt fanden entgegen dem Drängen der TPLF den Westen und vor allem die amerikanische Regierung ins Boot zu holen. Äthiopien's Regierung ist überzeugt davon dass die afrikanischen Länder ihren Konflikt selber lösen können. Das Friedensabkommen zwischen Eritrea und Äthiopien von November 2018 ohne die Beteiligung des Westens ist der Beweis. Es hat bis heute gehalten. Die Realisierung des Friedensabkommen zwischen Äthiopien und TPLF ist im Gange. Es wird lange dauern bis die Wunden geheilt sind.



    Wenn man den Artikel liest lässt es einem leider vermuten dass Herr Johnson von oben herab (eurozentrisch) denkt und ich vermisse ein wenig Respekt gegenüber den Afrikanern.

  • Während der Anbahnung der Verhandlungen und auch während der Verhandlungen selbst wurde von den beteiligten Parteien (übrigens auf einer Seite die demokratisch gewählte Regierung Äthiopiens mit ihrer Armee und auf der anderen Seite Rebellen aus der Provinz Tigray, die es nicht verwinden konnten, ihre Macht in der Zentralregierung durch Abwahl verloren zu haben) außerordentlich viel Wert darauf gelegt, die Problemlösung selbst zu finden. Selbst in Äthiopien, selbst in Afrika. Es war der explizite Wunsch, die Führung in die Hände der Afrikanischen Union zu legen und keinesfalls in die "erfahrenen" Hände der USA oder der EU, die jegliches Vertrauen dort verspielt haben.

    • @abraxas:

      Volle Zustimmung. Deshalb verstehe ich auch so manchen Artikel von Dominic Johnson nicht, in denen er dem "Westen" vorwirft, die Konflikte in Afrika zu ignorieren. USA und EU sollten nur aktiv werden, wenn das alle relevanten Beteiligten so möchten.