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Friedensverhandlungen für die UkraineVerkehrte Welt

Kommentar von

Barbara Oertel

Die Verhandlungen für einen Waffenstillstand in der Ukraine scheinen gut gelaufen zu sein. Doch herausgekommen ist relativ wenig.

Frieden schaffen ohne Waffenstillstand, das ist die Logik Moskaus. Was das bedeutet, ist in diesem Bild zu sehen Foto: Stringer/Reuters

Z wei Tage großer Bahnhof in Berlin, um die Ukraine einem Ende von Russlands Angriffskrieg ein Stück näherzubringen. Dass die Veranstaltung produktiv gewesen sei, wie es so schön im Diplomatensprech heißt, würde niemand in Abrede stellen. Nur was ist konkret dabei herausgekommen? Auf den ersten Blick kann sich das Ergebnis sehen lassen, wie Kanzler Friedrich Merz anmerkte. Unter anderem ist in der gemeinsamen Erklärung der Europäer von einer multinationalen Schutztruppe die Rede, die einen Waffenstillstand in der Ukraine absichern soll, auch durch Operationen im Land. Die USA sollen immerhin ihren Beitrag als Sicherheitsgarant leisten – allerdings ohne eigene Truppen.

Das klingt vielversprechend. Das Dumme ist nur, dass die Punkte des Papiers erst noch ausbuchstabiert werden müssen. Da steckt der Teufel im Detail. So ist es kein Zufall, dass die Frage des Status der von russischen Truppen besetzten ukrainischen Gebiete ausgeklammert wurde. Und da ist kein Kompromiss in Sicht. Der Kreml beharrt auf seinen Maximalforderungen, Kyjiw verwahrt sich dagegen. Dem Aggressor in dieser wichtigen Frage nachzugeben, machte nur Appetit auf mehr. Nächster Halt nach dem Donbass: die Gebiete Cherson und Saporischschja – in Gänze.

Und überhaupt – Moskau. Wer bei den jüngsten Verlautbarungen zugehört hat, dürfte ein Déjà-vu gehabt haben. Russlands Machthaber würden sich nur von Washington über die Ergebnisse der Berliner Gespräche informieren lassen – eine Umschreibung dafür, dass die Europäer ohnehin nicht ernst zu nehmen sind. Vor einem Jahr lehnte Russlands Außenminister Sergei Lawrow einen Waffenstillstand zu Weihnachten ab. Der sei ein Weg ins Nirgendwo, wenn er vom Westen dazu genutzt werden könne, die Ukraine wieder aufzurüsten.

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Am Dienstag hörte sich das aus dem Mund von Kremlsprecher Dmitri Peskow so an: Russland wolle Frieden, aber keinen Waffenstillstand, um der Ukraine eine Atempause zu verschaffen. Verkehrte Welt! Und eine klare Ansage: Auf einen Frieden, der diesen Namen verdient, werden wir noch warten müssen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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