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Friedensprozess in LibyenEinheitsregierung vorerst gescheitert

Die Regierung in Tobruk lehnt den Friedensplan des UN-Vermittlers ab. Der Krieg zwischen islamistischen Gruppen und der Armee geht weiter.

Im September explodierte in der Nähe eines Gefängnisses in Tripolis eine Autobombe. Foto: dpa

TUNIS taz | Nach einer turbulenten Sitzung hat sich die Mehrheit der Abgeordneten des international anerkannten libyschen Parlaments in Tobruk gegen den von dem UN-Sondergesandten Bernadino Leon ausgearbeiteten Friedensvertrag entschieden. Zwar hatte das sogenannte Repräsentantenhaus die 5. Version des Vertrags zur Bildung einer Einheitsregierung bereits im September angenommen, doch machte Leon seitdem der Fadschr-Milizenallianz in Tripolis weitreichende Zugeständnisse, die von der Bevölkerung im Osten Libyens mehrheitlich abgelehnt werden.

Denn trotz der einjährigen Friedensverhandlungen geht der Krieg zwischen der Armee und den islamistischen Gruppen in Bengasi weiter. Unterstützt werden die Extremisten von Kämpfern des „Islamischen Staats“ (IS), die per Schiff an der ostlibysche Küste landen. Viele vor der Fadschr-Allianz aus Tripolis geflohene Parlamentarier lehnen Leons Vorschlag ab, weil er Milizen aus Misrata mit der Sicherung der Hauptstadt beauftragen will. Im letzten Jahr brachten diese Milizen aus Unzufriedenheit über die Ergebnisse der Parlamentswahl Tripolis mit einem Sturmangriff unter ihre Kontrolle.

„Zudem beliefern einige Milizen aus Misrata die Islamisten der Schura-Allianz in Bengasi mit Waffen, während die Bürger Bengasis, die jahrelang friedlich gegen die Milizenwillkür protestierten hatten, vergeblich auf Hilfe warteten. „Deshalb haben sie sich hinter General Hafter gestellt“, sagt der Parlamentsabgeordnete Ali Tekbali, ein liberaler Politiker aus der Altstadt von Tripolis. Hafter versucht im Auftrag des Parlaments, die Extremisten aus den letzten von ihnen gehaltenen beiden Stadtteilen zu vertreiben.

Dass sich Vermittler Leon und die Delegationen aus Tobruk und Tripolis bei den Friedensgesprächen vor allem auf die Sicherheit einer zukünftigen Einheitsregierung in der Hauptstadt konzentrierten, stellt sich nun als Fehler heraus. Denn immer mehr Libyer fordern ein Ende des Kriegs, der neben Bengasi an verschiedenen Orten immer wieder aufflammt.

„Daher sollten die EU und die UNO die Waffenlieferungen von Misrata und der Türkei an die Extremisten in Bengasi beschlagnahmen“, schlägt der Abgeordnete Tekbali vor. In Brüssel sorgt man sich jedoch eher über Lieferungen aus Ägypten und den Emiraten an die Armee Hafters. So ist es derzeit noch offen, in welcher Form die Verhandlungen über die Bildung einer Einheitsregierung weitergehen werden.

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3 Kommentare

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  • "Unterstützt werden die Extremisten von Kämpfern des „Islamischen Staats“ (IS), die per Schiff an der ostlibysche Küste landen."

     

    Und das obwohl es im Mittelmeer nur so von NATO Schiffen wimmelt?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      es ist halt wichtiger, ehemalige Fischer zu versenken, die jetzt Flüchtlinge transportieren.

  • Die Katastrophe begann mit dem feigen Mord an Muammar al-Gaddafi. Der Krieg dauerte endlos lange, da er sich weigerte als Staatsoberhaupt abzutreten. Mit seiner Verhaftung hätten die Revolutionäre ihre Macht legitimieren können. So sahen sich Familienmitglieder und andere als rechtmäßige Landesherren.

     

    Doch statt den Leuten aus Bengasi/Tobruk verstärkte Unterstützung zu gewähren, um klare Verhältnisse zu schaffen, zog sich die westliche Allianz genau in diesem kritischen Moment zurück und überließ die Libyer ihrem Schicksal. Der jetzige Friedensplan kommt zu spät. Geschichtlich wäre auch eine Teilung des Landes sinnvoll.